Vortrag von Dr. Annette Seemann, Weimar, Vortrag 06. September 2022
Maria Fjodorowna von Württemberg und Pawel Petrowitsch, sie hatten zehn Kinder, unter ihnen Maria Pawlowna.Bei den Heiratsverhandlungen ging es darum, den Titel Kaiserliche Hoheit und Großfürstn von Russland zu wahren. Die Verhandlungen zur Heirat von Maria Pawlowna und Carl Friedrich, dem Sohn von Herzog Carl August, zogen sich zwei Jahre hin. Alle Töchter des Zaren wurden übrigens in Herrscherhäuser Deutschlands oder der Niederlande verheiratet. Es ging um die dynastische Ausweitung des Zarenreiches nach Westeuropa hinein. Vermittler Wilhelm von Wolzogen reiste mehrfach nach Russland. Eine Million Rubel nebst einer Frau, nebst Juwelen und einen hohen Rang, schrieb sinngemäß-ironisch Königin Luise von Preußen hinsichtlich der Vorteile für den Thronfolger von Sachsen-Weimar-Eisenach. In der Tat. Eine Million Rubel floss in die klammen Weimarer Kassen, eine jährliche Apanage von 10000 Rubel, weitere geldliche Zuwendungen aus der Zarenfamilie, kostbare Geschenke. Nach dem Willen des Zaren sollte seine Schwester in jeder Lebenslage versorgt, finanziell gesichert sein. Dies bezog sich auch auf ihre Kinder. Maria Pawlowna durfte weiterhin ihrem russisch-orthodoxen Gluben anhängen, ihre Kinder sollten aber protestantisch erzogen werden. Carl Friedrich wurde aufgefordert, Russland für zwei Monate zu besuchen. Am 22. Juli 1804 wurden sie verheiratet. War auch nicht unbedingt Liebe im Spiel, so doch ein gegenseitiges Verständnis und Freundschaft.
Der Brautschatz, der in Weimar anrollte war beträchtlich: 79 Fuhrwerke, darunter allein sechs für Spiegel, eine orthodoxe Kapelle, eine komplette Küchenausstattung, Porzellan, Kleidung, Pelze (Zobel und Hermlin).
Goethe sollte eine Huldigung auf die neue Herrscherin schreiben, zeigte sich jedoch indisponiert. Schiller sprang ein. Innerhalb von neun Tagen schrieb er das Gedicht „Huldigung der Künste“.
Maria Pawlowna erwies sich als überaus kunstsinnig. Sie zeigte sich in Musik und bildender Kunst überaus bewandert. Sie brachte auch ein Klavier und ihre Harfe mit. Am 9. November 1804 wurde Schillers Huldigung aufgeführt. Von hiesigen Literaten kannte sie jedoch nur Schillers „Don Carlos“. Sie beherrschte Deutsch nur unvollkommen.
Im Hofprotokoll ist sie als Nr. 1 aufgeführt, aber nicht als Herzogin, sondern als Kaiserliche Hoheit und Großfürstin Maria Pawlowna nebst Gemahl. Carl Friedrich rangierte also hinter ihr. Die ‚Herzoginmutter hatte ihr ans Herz gelegt, die Dichter an den Hof zu bitten und deren Situation zu rezipieren. Doch sie kamen nicht immer dieser Aufforderung nach, mussten an ihren Werken arbeiten, hätten daher eine gewisse Zeit ihre Behausung zu hüten, was Maria Pawlowna verdross: Wie kann man sich dem Befehl der Regentschaft widersetzen. Und sie machte sich lustig über die Geistesgrößen. So urteilte sie sinngemäß, Goethe halte seinen Hut senkrecht vor den Bauch wie einen Blumentopf und Wieland hielte sie wegen seines Käppchens zunächst für einen Juden“.
Sie besuchte oft die Bibliothek, interessierte sich insbesondere für die Stammbuchsammlung. Sie wandte viel Geld auf, um weitere Stammbücher zu beschaffen. Diese Tätigkeit wird heute fortgesetzt. Sie besuchte Berlin, traf die Humboldts, die Brüder Grimm, in Leipzig den Maler Tischbein, in Weimar den preußischen Prinzen Ferdinand.
Ihre Hauptaufgabe war jedoch die Wohltätigkeit gegenüber Alten, Schwachen, Kindern. Ihre Fürsorge war jedoch darauf gerichtet, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.
Alexander empfiehlt ihr, der Kriegsläufte wegen zu emigrieren. Sie kommt dem Befehl ihres Bruders nach, emigriert ins dänische Schleswig. Sie blieb dort ein Jahr lang – gegen Napoleons Willen. Alexander will Napoleon in die Schranken weisen. Der Rheinbund wird nach Napoleons Siegen gegründet. Franz II. dankt 1806 als Kaiser ab, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ist Geschichte. Die 4. Koalition gegen ein überlegenes französisches Heer wird gebildet.
In Weimar hat Herzogin Luise Napoleon gebeten, das Herzogtum bestehen zu lassen. Herzog Carl August muss 2,2 Millionen Francs Kriegstribution zahlen, Kriegsdienstverpflichtungen eingehen, demzufolge Landeskinder für das französische Heer rekrutieren.
Im September 1807 trifft Maria Pawlowna das zweite Mal in Weimar ein. Sie erwartet ihr zweites Kind, reist daher nach St. Petersburg. Doch der wahre Grund ist die wachsende Kriegsgefahr.
Doch 1812 bleibt sie endgültig in Weimar. Sie übernimmt wie ihre Schwestern außenpolitische Aufgaben, fungiert als diplomatischer Außenposten ihres Bruders. Er schickt sie nach Prag, Wien, Teplitz. Darüber schreibt sie in ihr Tagesbuch. Ihr Sohn Carl Alxander ist der einzige Mensch, der es lesen darf. Sie trifft Goethe in Teplitz, vergießt Tränen bei dieser Begegnung.
Carl August wechselt die Fronten, teilt dies in einem Brief an Alexander I. mit. Währenddessen ist Maria Pawlowna auf Reisen, erlebt in Frankfurt/Main die Krönung von Franz II. zum Österreichischen Kaiser.
Nach dem Wiener Kongress kehrt sie nach Weimar zurück, darf jetzt voll und ganz ihren Idealen frönen. Darin erfährt sie eine immer größere persönliche Befriedigung, trotz der vielen Pflichten.Sie unternimmt kunsthistorische Exkursionen, bringt Goethe schöne Dinge ihrer Reisen mit. Die Bevölkerung leidet große Armut. Sie holt Kinder von der Straße, beschafft ihnen Lehrstellen, sorgt für ihre christliche Erziehung. Und sie gründet das Patriotische Institut der Frauenvereine.Viele Außenstellen werden in Thüringen geschaffen.
Auch liest sie schon mal den „Werther“.Gegenüber Goethe hegte sie schon immer sehr viel Respekt. Bevor sie ihn traf, legte sie sich immer einen begrenzten Themenkreis zurecht. Goethe nimmt wachsend Anteil an ihrem Leben. Das kleine Fürstentum gab sich liberale Gesetze. Hier gab es die meisten Zeitschriften. In Jena ertönte laut der Ruf nach Freiheit. Maria Pawlowna fand das studentische Treiben in dieser Hinsicht nicht so gut. Die Karlsbader Beschlüsse setzten dem zunächst ein Ende.
Währenddessen kümmerte sich Maria Pawlowna auch um den Musiksektor, holte berühmte Leute nach Weimar wie Johann Nepomuk Hummel. Später kam Franz Liszt an die Ilm. Ihr Interesse galt ebenso der Park- und Landschaftsgestaltung. Sie mochte Bäume sehr gern. Die Alleen, bislang schattenlos, wurden nun bepflanzt. Sie gründete Baumschulen und Gartenbauschulen.
Carl Augusts Gemahlin Luise wurde nach der Erhebung des Landes zum Großherzogtum nun Großherzogin, Maria Pawlowna blieb Großfürstin. Sie widmete sich wie einst Anna Amalia dem kulturellen Sektor. Daher suchte sie immer donnerstags Goethe auf, um sich mit ihm zu beraten.Es blieben vertrauliche Gespräche. Von Goethe gibt es darüber keine Notizen. Doch aus ihrem Tagebuch geht beispielsweise ein wichtiges besprochenes Thema hervor: die Gründung einer Gewerbeschule.Es ging vornehmlich aum Baugewerke auf hohem fachlichem Niveau.
Sie ließ ein Lesemuseum im heutigen Nike-Tempel einrichten, wo man sich abonnieren konnte, um günstig die teuren Zeitschriften zu lesen. Goethe fand allerdings, dass dies den guten Geschmack verletzen würde.
Eine Woche vor seinem Tod trifft sie ihn das letzte Mal. Da sprachen sie wieder einmal über die Französische Revolution., tauschten literarische Neuigkeiten aus. Sein Tod traf sie auf sehr schmerzliche Weise.
1853 starb ihr Gemahl.Sie nahm Schloss Belvedere als ihren Witwensitz. Carl Alexander regierte im Geiste seines Vaters und Großvaters, Er übernahm den Auftrag seiner Mutter, Maria Pawlowna, die Wartburg zu restaurieren. Sie starb 1859 in Belvedere und ruht dort in geweihter russischer Erde.