Vortrag von Dr. Annette Seemann, am 4. April 2017
Anna Amalia kümmerte sich schon früh um kulturelle Belange, schon damals gab es ein Liebhabertheater. Auch mit Regierungsantritt ihres Sohnes Carl August blieben sowohl Sprech- als auch Musiktheater vom Ideal der Antike geprägt: Theater sollte belehrend und unterhaltsam sein.
Die scharfe Kritik des Preußenkönigs Friedrich II. mit seinen Zweifeln an der Qualität der deutschen Sprache hinsichtlich literarischer Produktionen bezieht der Weimarer Hof auf sich. Er entwickelt neue Theaterformen und wurde damit vorbildlich für ganz Deutschland. Anna Amalia fand bereits ein Hoftheater vor. Der Saal war allerdings zu klein, verfügte allerdings über einen Orchestergraben, in dem 22 Musiker Platz fanden. Aus Kostengründen spielten jedoch nur zwölf Musiker. Anna Amalias Gemahl, Herzog Ernst August II., aus Gotha stammend, gründete das Hoftheater neu, eingeschlossen jene zwölf Musiker. Es gab auch eine Theatertruppe. Im März 1757 verfügte die Herzogin über 20 Schauspieler. Da sie auf ihre geliebte italienische und französische barocke Oper wegen des großen Aufwandes verzichten musste, entwickelte sie eine Vorliebe für heimische Singspiele. Christian Felix Weiße (Librettist) und Johann Adam Hiller (Komponist) in Leipzig wurden beauftragt. Auch der Komponist Johann Ernst Bach wurde einbezogen. Ebenso wurde Corona Schröter engagiert.
Der Anspruch an die Musiker war enorm: Sie mussten alle Schauspiele mit Pausenmusik bestreiten, hinzu kamen Singspiele, Tafel- und Kirchenmusik sowie Hofkonzerte. Aus Braunschweig wurde die Koch’sche Theatertruppe herangezogen. Hofmarschall von Witzleben übernahm die Führung. Alle begabten Mitglieder des Hofes, aber auch Bürgerliche, mussten mitwirken. Komische Singspiele spielten die wichtigste Rolle.
Als der Herzog, Anna Amalias Gemahl, früh starb, wurde die Hofkapelle wegen der Trauerzeit zunächst aufgelöst. Nur der Tanzmeister durfte seine Stelle behalten, denn den beiden Prinzen Carl August und Constantin musste Unterricht erteilt werden. Nach der Trauerzeit umfasste die neue Hofkapelle acht Personen. Ein Kreis von Laien wurde einbezogen, die Herzogin selbst musizierte mit. Der Siebenjährige Krieg blutete auch das Weimarer Herzogtum aus. Dennoch gab es ab 1768 die besagte Koch’sche Theatertruppe. Es entstanden mehrere deutsche Singspiele, beispielsweise „Der Teufel ist los“ oder „Die Liebe auf dem Lande“. Es entstanden 16 Lustspiele und zehn Tragödien. Sie wurden von Hiller aufgeführt und anderenorts nachgespielt. Anna Amalia glaubte an den erzieherischen Wert der Bühne, daher hielt sie Weimarer Bürger dreimal in der Woche mit abzuholenden Billetts frei. Ihre Initiative war einzigartig, ohne Beispiel.
1771 kam die Herzogin mit ihren Söhnen erstmals wieder nach Braunschweig. Sie lernte dort den Bibliothekar Lessing kennen.
Jetzt kommt Anton Schweitzer ins Spiel. Er war als Musiker in Italien gewesen. Die Herzogin hatte sich schon immer nach Italien gesehnt, um dort Musik zu erleben. Bislang war ein Besuch jedoch nicht möglich gewesen. Schweitzer war ihr daher besonders wichtig. Der am Hof alteingesessene Hofkapellmeister Ernst Wilhelm Wolf wurde daher bald sein Rivale. Musikalische Aufträge stellten sich ein. In jener Zeit wurde Christoph Martin Wieland Prinzenerzieher. Er sollte jedoch auch Stücke schreiben, auch mit Schweitzer etwas „aushecken“. So entstand die Idee zu „Alceste“, der vermeintlich ersten deutschen Oper. Es handelt sich aber eher um ein Singspiel mit antikem Stoff. Vier Rollen waren ihm zugedacht. Admet droht zu sterben; nach einem Orakel kann er gerettet werden, wenn sich eine Person für ihn opfert. Alceste, seine Gemahlin, ist dazu bereit und begibt sich in den Hades. Herkules, Admets Freund, erklärt sich bereit, Alceste zurückzuholen, was ihn durch seine Tapferkeit und seinen Edelmut auch gelingt. Dieses Stück hatte einen beabsichtigten erzieherischen Hintergrund: Insbesondere die Figur des Herkules sollte dem jungen Carl August Tugendhaftes, Vorbildhaftes aufzeigen. 1773 wurde es am Weimarer Hoftheater aufgeführt. Es gab viel Lob, aber auch Kritik. Zu den Kritikern gehörte der ferne Goethe. Er fand es unmöglich, dass Wieland in seinem „Neuen Teutschen Merkur“ das eigene Stück in höchsten Tönen bejubelte. Folglich entstand Goethes Parodie „Götter, Helden und Wieland“. Als sie Wieland las, verstand er die Lektion. Er bewies Größe, druckte Goethes Pamphlet in der nächsten Nummer des „Merkur“ ab. Sie freundeten sich wenig später sogar an. Goethe ging es um die Verweichlichung der Helden, seine Kritik richtete sich somit gegen den „französischen Stil“. All das fand er abscheulich. Wieland schuf 1773 ein weiteres Singspiel für Carl August „Herkules am Scheideweg“, Schweitzer hatte dazu komponiert. Die Hauptfigur trägt wieder Züge von Carl August.
1774 brannte das Weimarer Schloss. Die Theatertruppe zog nach Gotha, in Weimar gab es zunächst kein Theater mehr. Die Herzogin entwickelte ihr neues Konzept, wieder ein Liebhabertheater. Alle, die sie begabt fand, wurden einbezogen, Adlige und Bürger, Alt und Jung. Anlass der Neugründung war die Rückkehr Carl Augusts von seiner Kavalierstour. Er brachte seine Braut, Luise von Hessen-Darmstadt mit. Man wollte ihn 1775 mit Voltaires Stück „Nanine“ empfangen, und zwar in Hauptmanns Haus an der Esplanade. Eine Bühne wurde aufgebaut, die man später wieder „abschlagen“ konnte. All dies verursachte weitere Kosten, die die Herzogin aus ihrer Privatschatulle bestritt. Carl August trug später drei Viertel der Kosten, sie den Rest.
Wenig später kommt Goethe nach Weimar. Doch diese Bühne gefällt ihm nicht. Für ihn wurde sie verändert. Am 30. Januar 1777, zu Herzogin Luises Geburtstag, wurde Premiere eines Goethe-Stückes gefeiert. Sie sollte durch die Theatervorführung von ihrem „Liebeswahn“ geheilt werden, so die Absicht. 1779 wurde „Iphigenie“ aufgeführt. Goethe schlüpfte in die Rolle des Orest, Corona Schröter spielte die Iphigenie. Es folgen „Erwin und Elmire“ sowie „Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“. Zum Spielplan gehörten neben diesen Stücken weiterhin „Nanine“, „Adelaide“, „Der Postzug“, Das Milchmädchen und die beiden Jäger“. Im „Hofmeister“ spielte der später sehr berühmte Arzt Hufeland die Hauptrolle. Ab 1777 fanden – wie erwähnt – Goethes Stücke immer mehr Zugang: „Erwin und Elmire“ und „Die Mitschuldigen“.
Corona Schröter war seit 1776 in Weimar, sie war die einzige professionelle Sängerin und Schauspielerin. Sie war auf Wunsch Carl Augusts gekommen, er hat sie auch sehr umworben. Ab 1777 gab es eine bescheidene Bühne auf der Ettersburg, sie war Anna Amalias Sommersitz. Es wurden bescheidene Schattenspiele aufgeführt. Wenig später wurde eine reguläre Bühne errichtet. Höhepunkt der Aufführungen war „Iphigenie auf Tauris“. Das Stück wurde 1779 auch im Hauptmann’schen Haus auf der Esplanade aufgeführt.Goethe spielte den Orest, Corona Schröter die Iphigenie, auch Prinz Constantin spielte mit. Anna Amalia setzte sich selbst in Szene. Es entstand auch eine Parodie zu „Alceste“. Darin: „Weine nicht, du Abgott meines Herzens“ wurde auf dem Posthorn intoniert. Über all das war Wieland sehr aufgebracht, er schrie Schmähworte und verließ den Saal, während die Herrschaften lachten.
1780 wurde ein Redoutenhaus als Theater errichtet – am Standort des heutigen. Die Bühne musste nunmehr nicht ständig auf- und abgebaut werden. Damit war aber auch die große Zeit des Liebhabertheaters vorbei. Goethe und Carl August erhoben nun den Anspruch auf Professionalität der Theaterkunst. Aufgeführt wurde zum Beispiel „Die Vögel“ von Aristophanes in Goethe’scher Übersetzung. Den letzten Todesstoß gegen das Liebhabertheater versetzte Friedrich II. mit seiner Schrift „De la literature Allemande“, in der sich über die Fehler der deutschen Sprache ausließ; sie sei für die Literatur gänzlich ungeeignet. Dies schrieb er mit Blick auf das Hoftheater seiner Nichte, Anna Amalia. Noch 1781 wurde in Tiefurt gespielt, auch das „Tiefurter Journal“ herausgegeben. Es gab allerdings nur elf Exemplare. „Die Fischerin“ und „Auf Miethings Tod“ fanden sich darin. Ebenso fand die Nachricht Erwähnung, dass Anna Amalias Perlhuhn sieben Eier gelegt habe. Doch spätestens mit der „Fischerin“ war das Interesse am Liebhabertheater erloschen. 1783 gab es noch eine Aufführung, ein Jahr später keine mehr. Eine professionelle Truppe wurde eingestellt. Anna Amalia konnte endlich italienische Opern hören. Ab 1790 gab es regulären Theaterbetrieb. Liebhabertheater wurde nur noch „punktuell“, nämlich im Wittumspalais der Herzoginmutter gespielt, und zwar bis 1800.
Im „professionellen Theater“ wurde zwar auch Goethe und Schiller gespielt, mehr aber Modeautoren jener Zeit: Kotzebue, Iffland, Hiller, Weise und Gotter. Insbesondere waren Komödien sehr beliebt. Etwa drei Viertel des Repertoires bestritt Kotzebue mit seinen Stücken, diese hat oft Goethe inszenieren lassen.