Klopstock, das ist mein Mann (Goethe)

Vortrag von Steffi Böttger, Leipzig, am 11. Februar 2025

Friedrich Gottlieb Klopstock (* 2. Juli 1724 in Quedlinburg; † 14. März 1803 in Hamburg) war ein deutscher Dichter. Er gilt als wichtiger Vertreter der Empfindsamkeit. Heute wird er kaum verstanden, wenig gelesen. Sehr zu Unrecht, wie die Referentin deutlich werden ließ. Immerhin gehörte er im 19. Jahrhundert zu den erfolgreichsten Schriftstllern. Auf der anderen Seite gilt ungeachtet Lessings Urteil: Wer wird nicht einen Klopstock loben? Doch wird ihn jeder lesen? Nein. Wir wollen weniger erhoben und fleißiger gelesen sein.

Die Verlegenheit ist mit Händen zu greifen.

Geboren in einer wohlhabenden Familie, 17 Geschwister, in Quedlinburg, erfolgte ein sozialer Abstieg. Dennoch kam der 15-Jährige zu weiterer ausbildung an die Fürstenschule Pforta. Schon dort begann er zu dichten, das waren vor allem Heldengedichte im klassischen Versmaß des Hexameter. Er wollte Homer der Deutschen sein. Er ordnete alles diesem Ziel unter, brach wohl auch deshalb sein Theologiestudium ab. In der wöchentliche Zeitschrift Neue Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes – den „Bremer Beiträgen“ – erschienen die ersten drei Gesänge seines berühmtesten Werkes, des „Messias“, nach einer Prosafassung nun in Hexametern. Sie lösten leidenschaftliche Diskussionen aus. Diese Verse bekamen auch der anakreontische Dichter Friedrich Hagedorn sowie der Schweizer Philologe Johann Jakob Bodmer in Zürch zu Gesicht. Letzterer verwendete sie als „Waffe“ gegen den der Aufklärung verpflichteten „Literaturpapst“ Johann Christoph Gottsched in Leipzig. Somit richtete sich die Kirtik vor allem gegen die Überbetonung des Verstandes in der Dichtung. Briefe wurden gewechselt, es setzte eine redaktionelle Arbeit ein, die zudem tiefe Eingriffe nach sich zog, was sich ein heutiger Autor nie gefallen lassen würde. Zusehends mehrten sich auch kritische Stimmen. Bei alldem wurde der „Messias“ immer bekannter. Vier Drucke entstanden innerhalb von vier Jahren und dies bei einem noch nicht einmal vollendeten Versepos eines gerade einmal 24-Jährigen. In der Endfassung kam der „Messias“ auf rund 20 000 Verse.

Klopstock verliebte sich in die 17-jährige Maria Sophia Schmidt. Die junge Dame sandte jedoch widersprüchliche Signale aus, letztlich fand sie keinen Gefallen an dem mittellosen Studienabbrecher. Klopstock begann wegen seiner Liebe – sie allegorisierendend als Daphne (Nymphe, in die sich Apollo verliebte), Laura (Figur bei Petrarca), Fanny – ein unwürdiges Geschacher mit Gott. Er habe ein Recht auf ihre Liebe, forderte verwegen „seine Fanny“ als Gottesgeschenk: „Gib sie mir, die du erschufst“. Andererseits verpflichtete er sich zu leidenschaftlicher Huldigung des Allerhöchsten. Ein Geschenk, ein Geschäft? Klopstock Er schrieb auch die Ode: „An Fanny“.

In Goethes „Werther“ taucht der Name Klopstock ebenfalls auf. Es ist der Moment, in dem Werther sich in Lotte verliebt. Sie sagt „Klopstock“, da sie das während einer ländlichen Lustbarkeit aufziehende Gewitter an Klopstocks Ode „Die Frühlingsfeier“ erinnert. Diese Ode verknüpft Realität mit Phantasie; dies ist neu und bezeugt Klopstock als Dichter der Empfindsamkeit. Allerdings ist es auch riskant, die eigenen Liebeserlebnisse öffentlich zu machen. Und: Gegen die Kaprizen einer 17-Jährigen sind sogar der Allmacht Gottes Grenzen gesetzt.

Finanzielle Probleme bleiben nicht aus. So schreibt Klopstock an seinen Gönner Bodmer mit der Bitte um Versorgung; dies auch, um seinen „Messias“ vollenden und möglicherweise sogar Fannys Hand gewinnen zu können. Er reist 1750 nach Zürich. Bodmer bemüht sich und agiert sogar – erfolglos – als Heiratsvermittler. Sein Brief an Fanny kommt jedoch nicht an, ihr Bruder hält das Schreiben zurück, da ihm die ganze Lächerlichkeit der Affäre bewusst ist. Klopstock benötigt jedoch eine besoldete Stelle. So folgt er acht Monate später dem Ruf Friedrich V. an den dänischen Hof. Er nimmt sich viel Zeit, besucht auf seinem Weg nach Kopenhagen seine Mutter in Quedlinburg, seine Fanny in Langensalza und Freunde in Hamburg. Hier lernt er Margareta Moller, seine Meta, eine junge, hübsche und sehr gebildete Frau kennen. Sie wechseln empfindsame Briefe.

In Kopenhagen konnte er sein Werk vollenden. Friedrich gewährte ihm eine Lebensrente von jährlich 400 (später 800) Talern. Drei Jahre blieb der Dichter in Dänemark, ohne größeren Verpflichtungen folgen zu müssen.

1754 konnte er seine Meta heiraten. Sie wurde seine Mitarbeiterin, Korrektorin und Kritikerin. Die 600 Taler reichten freilich für die Haushaltsführung nicht aus. Die aus begüterter Familie stammende Meta fügte sich jedoch klaglos. Die Ehe verlief glücklich. Meta starb jedoch schon am 28. November 1758 bei einer Totgeburt. Ihr Verlust bedeutete für ihn eine nie heilende Wunde. Dreißig Jahre hindurch konnte Klopstock sie nicht vergessen und besang sie in seinen Elegien, zum Beispiel in „Das Wiedersehen“. Erst im hohen Alter (1791) heiratete er die Hamburgerin Johanna Elisabeth Dimpfel verw. von Winthem (1747–1821), welche eine Nichte von Meta Moller war. Seine Liebesgedicht an Meta wie „Das Rosenband“ wurden jedoch oft verkannt.

Politische Gedichte waren zwar an den dänischen König Friedrich V. gerichtet, waren aber eigentlich an den preußischen Souverän Friedrich II. gerichtet, dessen Kriege der Dichter allerdings verurteilte.

Neben dem Messias, der endlich 1773 vollständig erschien, schrieb Klopstock Dramen, darunter „Die Hermanns Schlacht“ (1769). Er wandte sich dann nach Hamburg. Hier gründete er eine Lesegesellschaft zur Verbreitung deutscher Literatur. Diesem Kreis gehördeten auch Damen an, um anstößiger Literatur vorzubeugen. Es erschien der Band „Ode“, in einer Prachtausgabe und einem billigerem Exemplar. Die Begeisterung kannte keine Grenzen. Im Dichterkreis „Göttinger Hain“ (Voß, die Stolbergs, Bürger) wurde Klopstock hoch verehrt: „Der Bund ist heilig“, während man Wielands Werke und dessen Porträt verbrannte.

Klopstocks aufgeklärte Utopie „Die deutsche Gelehrtenrepublik“ (1774) ist ein Konzept, das für die als regierungsunfähig angesehene Fürstenherrschaft eine gebildete Elite in die Macht einsetzt. Die Republik soll von „Aldermännern“, „Zünften“ und „dem Volke“ regiert werden, wobei den ersteren – als den gelehrtesten – die größten Befugnisse zukommen sollte, Zünften und Volk entsprechend weniger. Der „Pöbel“ hingegen bekäme höchstens einen „Schreier“ auf dem Landtage, denn Klopstock traute dem Volk keine Volkssouveränität zu. Bildung ist in dieser Republik das höchste Gut und qualifiziert ihren Träger zu höheren Ämtern. Entsprechend dem gelehrsamen Umgang geht es in dieser Republik äußerst pazifistisch zu: Als Strafen zwischen den Gelehrten veranschlagt Klopstock Naserümpfen, Hohngelächter und Stirnrunzeln.

Klopstock begrüßte begeistert die Französische Revolution, blieb ihr auch in der Jakobiner-Schreckensherrschaft 1793/94 treu. Nur gegenüber Herder räumte er dies als großen Fehler ein.

Klopstock setzte sich als einer der ersten für Autorenrechte ein. Er versandte Ankündigungen seiner Werke, ließ im Selbstverlag drucken. Die Buchhändler/Verleger seien nur darauf aus, sich „am Autorenhirn zu mästen, während der Autor von Brosamen vom Tisch der Reichen leben muss“. Er kam auf immerhin 3480 Subskribenten, bei einer Auflage von 3655 Stück. Aus seiner Geburtststadt Quedlinburg ging indes keine einzige Bestellung ein.

1776 zog er auf Einladung Markgraf Karl Friedrichs von Baden vorübergehend nach Karlsruhe. Doch die steife Hofetikette misshagte ihm, daher zog er wieder nach Hamburg. 1797 erschien bei Göschen/Leipzig die Gesamtausgabe seiner Werke.

Nach seinem Tod am 14. März 1803 im Alter von 78 Jahren wurde er am 22. März 1803 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung neben Meta auf dem Friedhof der Christianskirche in Hamburg-Ottensen beigesetzt. An der Begräbnisfeier sollen ca. 50 000 Menschen teilgenommen haben. In den „Xenien“ feiert Goethe den Dichter: „Klopstock, der ist mein Mann, der in neue Phrasen gestoßen,/Was er im höllischen Pfuhl Hohes und Großes vernahm.”