Rückblick

Goethe als Naturforscher im Fichtelgebirge und in Böhmen

Vortrag von Bernd Kemter, Gera, am 3. Februar 2015

Mephistoteles Faust II, Hochgebirg
Als Gott der Herr… ich weiß auch wohl warum
Uns aus der Luft in tiefste Tiefen bannte,
Da, wo zentralisch glühend um und um
Ein ewig Feuer flammend sich durchbrannte
Wir fanden uns bei allzu großer Hellung
In sehr gedrängter, unbequemer Stellung.
Die Teufel fingen sämtlich an zu husten,
von oben und von unten auszupusten.
Die Hölle schwoll von Schwefelstank und -säure.
Das gab ein Gas! Das ging ins Ungeheure,
so dass gar bald der Länder flache Kruste,
so dick sie war, zerkrachend bersten musste.
Nun haben wir’s an einem andern Zipfel
Was ehmals Grund war, ist nun Gipfel.
Sie gründen auch hierauf die rechten Lehren.
Das Unterste ins Oberste zu kehren.
Denn wir entrannen knechtisch heißer Gruft
Ins Übermaß der Herrschaft freier Luft.
Ein offenbar Geheimnis wohl verwahrt
Und wird nur spät den Völkern offenbart.
Was hier Mephisto schildert, ist nichts anderes als die poetisch-dramatische Widerspiegelung der Ansichten der Plutonisten, die sich zu Goethes Zeiten in erbittertem Widerstreit mit den Neptunisten befanden. Die Götternamen verweisen bereits auf die konträren Deutungsmuster dieser beiden Schulen am Anfang der Geologie als Wissenschaft. So wie sich uns die Erdkruste mit all ihren Gebirgen, Tälern und Hügeln, all ihren Verwerfungen und merkwürdigen Gebilden darstellt, ist das Werk vorzeitlicher Ozeane. Sie verschwanden und ließen uns diese Welt zurück. So sagen – vereinfacht gesprochen – die Neptunisten. Alles, was entstand, ist das Werk vulkanischer Tätigkeit, halten die Plutonisten dagegen.
Dieser Streit, erbittert bis ins Persönliche ausgefochten, tobte an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert. Es war die heroische Zeit der Geologie, in der sie als Wissenschaft entstand. Zuvor hatte es nur sehr wenige gesicherte Erkenntnisse gegeben, Leonardo da Vinci hatte sich wohl ein wenig mit versteinerten Fossilien befasst, das war aber auch schon fast alles.
Goethe griff in diesen Streit ein, neigte zuerst den Neptunisten zu, erkannte jedoch sehr rasch, dass es sich hierbei um sehr orthodoxe, festgefahrene Ansichten handelt, favorisierte daher weit später den Plutonismus, versuchte sich aber auch in Kompromissvorschlägen, weil er erkannte, was – auf philosophischem Gebiet – Kant im Urteil zur empiristisch-skeptizistischen Schule David Humes und zum Rationalismus des Rene Descartes sagte: Sie hatten beide ein wenig Recht.
Wieso aber konnte sich Goethe überhaupt in den Fachstreit der beiden gelehrten Fakultäten einmischen?
Nun, er war ja selbst vom Fach. Er kam wohl 1776 („höchst unwissend in alle Naturstudien“, wie er selbst 1824 rückblickend erwähnte) nach Ilmenau. Es war eine selten glückliche Situation, dass 1778 von Charpentiers „Mineralogische Geographie der Chursächsischen Lande“ erschienen war, zu dem der Autor eine Sammlung von etwa 100 Gesteinsproben für 100 Taler mitlieferte. Goethe erwarb 1780 diese Sammlung. Zur gleichen Zeit gelangten von Kennern des Landes kleine instruktive Sammlungen mit Erläuterungen zu Goethe. Schließlich erwarb er 1781 die „Folge der Gebirgsarten des Thüringer Waldes“ von Bergrat Voigt. Diese Sammlungen und seine Reisen in Thüringen und über den Harz versetzten Goethe in die Lage, die regionale Geologie von der Neiße im Osten bis hin zur Fulda im Westen und vom Harz bis ins Erzgebirge erstmals zu erfassen.
Entscheidend für Goethes Leistungen auf dem Gebiet der Geologie wurden jedoch seine Reisen 1785, 1820 und 1822 ins Fichtelgebirge und seine häufigen Aufenthalte in Böhmen.
Im Fichtelgebirge gelangte er zu bemerkenswerten Erkenntnissen. Schon Jahrhunderte zuvor rätselten die Menschen, wie jene merkwürdigen Granit-Blockmeere entstanden sein mochten, wie wir sie auf dem Schneeberggipfel, auf der Kösseine, am Haberstein, am Schneeberg und natürlich auf der Luisenburg antreffen. Er fand hier eine richtige, heute noch gültige Erklärung, wobei man bedenken muss, dass ja die Geologie noch in den Kinderschuhen steckte. Die früheren Granitwände sind durch Spaltenverwitterung zum Einsturz gebracht worden. An den Berghängen gerieten die Blöcke bei einem bestimmten Neigungswinkel in Bewegung, stürzten und bildeten so die Blockmeere. Begünstigt wurde die Fortbewegung durch das Gefrieren und Wiederauftauen des Untergrundes im Klimawechsel der Eiszeit, die vor 600 000 Jahren begann und vor rund 15 000 Jahren endete. Der Geologe spricht bei lehmigem Untergrund von „Fließerden“; sie waren eine besondere Voraussetzung für die Bewegung der riesigen Granitblöcke an den Hängen der Luisenburg und damit für die Bildung des Felslabyrinths.
Goethe sammelte viele Mineralien im Fichtelgebirge, auch in der böhmischen Gegend um Eger und Marienbad. Seine Sammelleidenschaft erfasste sowohl die in den Bädern weilende Aristokratie wie auch einfache Leute, die ihm schöne Stücke brachten und mit denen er einen herzlichen Umgang pflog. Begleitet wurde er von seinem Diener Karl Stadelmann. Der Bedauernswerte, schon recht Betagte musste viele Körbe schleppen; einer von ihnen, der berühmte Marienbader Korb, den Goethe wegen seiner platzsparenden Faltbarkeit in höchsten Lobestönen pries, kam gar zu literarischen Ehren.
Ich möchte nun kurz auf allgemeine Wesenszüge der Geologie des Fichtelgebirges eingehen, berufe mich hierbei auf Untersuchungen von Hans Sperber. Der Granit als Eruptivgestein bildet die Hauptmasse. Am Bibersberg bei Marktleuthen ist der älteste Granit des Fichtelgebirges aufgeschlossen. Er zeigt Feldspateinsprenglinge bis zu 12 cm. Seine Struktur ist porphyrisch (Eruptivgesteine, deren Grundmasse größere Kristalle als Einsprenglinge aufweist). Er nimmt die größte Ausdehnung ein: von der Reut bei Gefrees über Weißenstadt und Marktleuthen bis über die Grenze nach Tschechien, das sind immerhin 45 Kilometer Längenausdehnung. Auf den jüngsten Granit im Fichtelgebirge, den Zinngranit, treffen wir, wenn wir die Route über Weißenstein zum Rudolphstein und zum Fuchsbau bei Leupoldsdorf nehmen. Nach seiner Beschaffenheit ist der Zinngranit mittelkörnig, relativ weich und von heller Farbe. Am beeindruckendsten sind natürlich die Granit-Blockmeere auf der Luisenburg. Sie entstanden durch Verwitterung, wie schon Goethe richtig feststellte. Runden sich ihre Ecken und Kanten ab, so entstehen wollsack- und matratzenähnliche Gebilde, wie am Waldstein, Rudolphstein, Epprechtstein, Kornberg, Haberstein und Burgstein. Blockgebilde gibt es neben der Luisenburg auch auf den Gipfeln des Schneeberges, der Kösseine, des Habersteins.
Auf dem Höhenrücken zwischen Marktredwitz und Wunsiedel kann man recht gut die Dreigliederung des Gebirgswalles gegenüber dem Fichtelgebirge erkennen: den Granitdom des Steinwaldes, das Basalt-Mittelgebirge mit dem Großen und Kleinen Teichelberg und dem Reichsforst und die Quarzphyllitberge des Kohlwaldes bei Arzberg. Natürlich treten im Fichtelgebirge auch besonders farbenprächtige Minerale auf: Chalzedone, zum Beispiel, gebänderte Jaspise, Amethyste, Turmaline, Topase, Zinnwaldite, um nur einige zu nennen. Und natürlich fand man früher auch schöne Bergkristalle auf den Pegmatitgängen der Granitmassive: am Strehlenberg bei Marktredwitz, bei Göpfersgrün, bei Selb. Quarzkristalle fand man im Untergrund von Weißenstadt und verwendete sie zur Verzierung der Grottenwände der Eremitage. Wo zwischen Leupoldsdorf und Göpfersgrün der Wunsiedler Marmorzug an Gneis bzw. Metagranit grenzt, entstanden Kalksilikate, in deren Klüften man herrliche Minerale entdeckte: Granate, Jaspise und andere.
Einmalig ist auch die Kontaktzone zwischen Granit und Marmor im Raum Göpfersgrün-Thiersheim. Da wären zunächst prächtig ausgebildete Minerale zu nennen wie Sternquarz, Rauchquarz, Amethyste, Kalzite und Pyrit. Geologisch interessanter sind jedoch die Pseudomorphosen. Damit sind Minerale gemeint, die eine ihnen fremde Kristallform angenommen haben. In unserem Fall ist die ursprüngliche Substanz Speckstein (Steatit). Aus ihr entstanden Kristallformen der Minerale Quarz, Kalzit, Magnesit und Vesuvian. Erwähnen möchte ich noch den Granit bei Ellbogen, der große Zwillings-Feldspatkristalle beinhaltet. Von Goethe wurden sie als Karlsbader Zwillinge bezeichnet; ein Name, der in die internationale Fachliteratur Eingang fand.
Auch Basalte finden sich in der Region, im Reichsforst sind mehrere Eruptionskanäle miteinander verwachsen und zu mächtigen Basaltsäulen aufgeschlossen. Und der Wartberg zeigt uns die großartige Erscheinung eines Basaltdurchbruchs durch den Granit. Vulkanschlote existieren auch in der Region Bernstein-Thierstein-Schönwald.
Das interessanteste, zugeich problemreichste Gestein sind die Metamorphiten (Umwandlungsgesteine). Wichtig ist hierbei das Phylitt und Quarzphylitt, ein geschiefertes Gestein aus feinschuppigem Quarz und Sericit, das das Hohe Fichtelgebirge wie ein Mantel umhüllt. Aus Ton wurde Tonschiefer (Phyllit), aus Sand über das Zwischenstadium des Sandsteins Quarzit und aus Kalk Marmor. Der Phyllit ist relativ weich und ein relativ guter Ackerboden. Phyllitbildungen sind besonders schön bei Rügersberg und an der Straße von Sophienthal nach Warmensteinach zu beobachten.
Auch in der Umgebung Wunsiedels ist der Phyllit weithin festzustellen. Er umgibt die hohen Berge, bildet jedoch selbst kleine Hügel.
So wie sich das Fichtelgebirge mit einer ungeheuren Vielzahl an Gesteinen und Mineralien darstellt, wie man sie im Fichtelgebirgsmuseum in Wunsiedel bewundern kann, so gelang es Goethe einen bemerkenswerten Querschnitt mineralogischer Befunde zu erfassen. So beschäftigte er sich natürlich vor allem mit dem Granit, den er als das „Höchste und Tiefste“ pries; wir stoßen auf ihn als das Letzte, wenn wir ins Erdinnere vordringen, und wir erkennen ihn, wenn er als das Höchste in die Wolken ragt; dort, wo es schon keine Bäume, Sträucher, Moose mehr gibt, sondern nur noch ihn, den Granit. Von diesem körnigen, magmatischem Tiefengestein ausgehend, so riet Goethe den Fachgeologen, sei aller weiterer Fortschritt im Erkenntnisprozess zu erwarten. Von den Mineralien, mit denen sich Goethe beschäftigte, sei eine kleine Auswahl herausgegriffen: Phyllit, feinblättriger, kristalliner Tonglimmerschiefer von grünlich-grauer Farbe, Chrysoprasen, eine apfelgrüne Abart des Chalzedons, ein durchscheinendes Mineral aus amorpher Kieselsäure, Tremolit, ein weißes, graues oder grünliches Mineral, ein Kalzium-Magnesium-Silikat, und natürlich das Hyalith, aus dem das berühmte südböhmische schwarze Glas des frühen 19. Jahrhunderts gefertigt wurde, eine Nachahmung der englischen schwarzen und undurchsichtigen Wedgewood-Basaltware, die natürlich erst mit ihren Golddekoren ihre prächtige Wirkung entfaltete.
Goethe interessierte sich lebhaft für den Wunsiedeler Marmor, die Zinnwäsche auf dem Seeberg, für den mit weißem Felsspat durchsetzten Granit bei Marktleuthen, den Katharinenberg bei Wunsiedel, der ganz aus Glimmerschiefer besteht und mit höchst feinkörnigem Gneis große Ähnlichkeit hat, die Quarzvorkommen bei Leupoldsdorf und wieder Gneis, der sich bis auf die Höhe des Seebergs hinzieht, für die Steinbrüche bei Rehau. Und er beschäftigte sich auch mit der überregionalen Wasserscheide in dieser Gegend, besuchte mehrere Orte, so auch Alexandersbad und Sichersreuth, und notierte meteorologische Beobachtungen.
Er bestieg den Ochsenkopf (1. Juli 1785), den Nußhardt, jedoch nie den Haberstein am Schneeberg, wie mitunter zu lesen ist.
Jeder Weg in unbekannte Gebirge bestätigte die alte Erfahrung, dass das Höchste und das Tiefste Granit sei, dass diese Steinart, die man nun näher kennen und von andern unterscheiden lernte, die Grundveste unserer Erde sei, worauf sich alle übrigen mannigfaltigen Gebirge hinauf gebildet. In den innersten Eingeweiden der Erde ruht sie unerschüttert, ihre hohen Rücken steigen empor, deren Gipfel nie das alles umgebende Wasser erreicht.
Beim Abstieg vom Ochsenkopf machte Goethe auf einer leuchtenden Bergwiese eine botanische Sensation im Hinblick auf den Sonnentau. In Begleitung des Botanicus Friedrich Gottlieb Dietrich und des Kammerherrn Karl Ludwig Knebel beschäftigte sich Goethe neben der Moosbeere auch mit dem Sonnentau und erkannte, dass es sich hierbei um eine insektenfressende Pflanze handelte. Erst Jahrzehnte danach gelang es Darwin, die ignoranten Fachbotaniker von der Richtigkeit dieser Beobachtung zu überzeugen.
Auf der Platte im Schneebergmassiv fand man früher wie etwa am Seehaus den seltenen Siebenstern. Er gehört zur Familie der Schlüsselblumen, und seine weißen Blüten Ende Mai bis Ende Juli, die in einem Trichter dunkelgrüner Laubblätter stehen, fallen dadurch auf, dass sie fast stets die im Pflanzenreich ungewöhnliche Zahl von sieben Kronblättern aufweisen. Ansonsten wird man hier kaum größere Gefäßpflanzen finden.
In der Gipfelregion des Großen Waldsteins gibt es zehn verschiedene Baum- und Straucharten: Fichte, Kiefer, Tanne, Bergahorn, Rotbuche, Zitterpappel, Vogelbeere, Salweide, Schwarze Heckenkirsche und Trauben-Holunder. Von den 26 bei Vollrat angegebenen krautigen Pflanzen, sind besonders zwei bemerkenswert: zum ersten die Goldnessel, zum zweiten die Gefleckte Taubnessel. In ihrem Aussehen ähneln sie der bekannten Weißen Taubnessel, aber die eine hat gelbe, die andere karminrote Blüten. Als seltene und geschützte Pflanze sei die Korallenwurz erwähnt, ein Knabenkraut, bleich, gelblich-grün, das Chlorophyll fehlt fast gänzlich, um zu existieren, schmarotzt sie auf dem Mycel eines Pilzes. Interessant ist auch die Einbeere. Aus einem Quirl von vier elliptischen spitzen Blättern erhebt sich eine schwarze Beere in der Mitte einer grünen, sternförmigen Blüte. An sich gehört die Einbeere in die Laubwälder.
Als artenreichster Granitgipfel gilt der Große Hengstberg. Der Bibersberg bei Marktleuthen zeigt eine Flora, die an sich auf trockenen Standorten heimisch ist. Die Kiefer tritt hinzu, dazu der schwarz werdende Geißklee, ein Schmetterlingsblütler mit dreizähligen Blättern, dessen leuchtend gelbe Blüten in dichten, blattlosen Trauben stehen. Er erreicht hier die Nordwestgrenze seines südosteuropäischen Verbreitungsgebietes. Der Trockencharakter der Flora erklärt sich aus der Lage des Biberbergs im Innern des Hufeisens und damit im Regenschatten. Im Fichtelgebirge dominiert die Fichte, Reste des ursprünglichen Bergmischwaldes finden sich nur an wenigen Stellen, etwa am Hang der Kösseine, am großen Hengstberg und im Steinachtal zwischen Warmensteinach und Sophiental.
Wir finden noch das Schmalblättrige oder Wald-Weidenröschen mit seinen dunkelrosa Blütentrauben, das gern auf Kahlschlägen, an Waldwegen und Schuttflächen wächst. An Holzgewächsen haben vor allem die Birke und der Trauben-Holunder die Felsklüfte besiedelt.
In großen Höhen, wo schon kaum Leben mehr möglich scheint, können sich zumindest Krustenflechten ansiedeln. Flechten und Moose sind völlig anspruchslos, was ihren Untergrund betrifft. Hierzu gehört auch das geschützte Leuchtmoos, das man im Blockmeer der Luisenburg begegnen kann. Vermutlich ist es auch Goethe aufgefallen. Durch teilweise Reflexion des im Chlorophyll gesammelten Sonnenlichts entsteht der zauberhafte goldgrüne Schimmer in den Felsklüften.
Von hohem Wert sind natürlich die Hochmoore im Fichtelgebirge. Charakteristisch ist weniger ihre Höhenlage, mehr noch ihre uhrglasförmige Aufwölbung in der Mitte. In versumpften Mulden mit wasserundurchlässigem Untergrund gedeihen Tormoose, die in ihrem unteren Teil absterben und vertorfen. Aus den abgestorbenen Schichten wachsen die Moospflanzen weiter, so dass sich langsam das Niveau vor allem in der Mitte erhebt. Dann verliert die Pflanzendecke den Kontakt mit dem nährstoffreichen Grundwasser, ihm bleibt nur noch das nährstofffreie Regenwasser. Doch die Feinmoose sind in der Lage, lange Zeit das Wasser wie ein Schwamm speichern zu können. Nur wenige Pflanzen können sich an diese Nährstoffarmut und die sauren Böden anpassen. Ein großes Moorgebiet befindet sich bekanntermaßen am Fichtelsee.
Charakteristischer Nadelbaum hiesiger Hochmoore ist die Moorspirke, eine Art der Bergkiefer. Sie erreicht immerhin eine Höhe bis max. 12 Metern. Sie trägt kurze Zweige mit paarweis stehenden dunkelgrünen Nadeln, die Kronen sind pyramidenförmig. Am Rand der Moore kann dieser Baum überleben, da seine Wurzeln gerade noch in den nährstoffreichen mineralischen Untergrund hinabrechen. Weiter im Innern finden wir nur noch Krüppelformen. Typischer Laubbaum ist die Moorbirke. Neben Preiselbeere und Blaubeere finden wir noch die Moosbeere, ihre dünnen Äste kriechen bis 50 cm über den Boden, ihre rosa Blüten mit zurück geschlagenen Blütenblättern werden zu tiefroten Beeren. Auch die Rauschbeere wächst im moorigen Gebiet. Das sind etwa kniehohe Sträucher mit blau bereiften Blättern. Deren blau bereifte Beeren sondern im Gegensatz zur Heidelbeere keinen roten, sondern farblosen Saft ab.
Nun wenden wir uns noch dem Fichtelsee zu. Hierher gehören das Schmalblättrige und das Scheiden-Wollgras. Bei beiden sind die Ährchen mit silbrigen Haaren besetzt. Das Scheiden-Wollgras hat aufgeblasene Blattscheiden am Halm.
Vollrath beschreibt den Ruh-Berg südlich von Arzberg als das „vielleicht interessanteste Florengebiet“ Nordostbayerns. Der Boden ist hier sehr stickstoffreich. So wächst hier die Hain-Klette, die Rote und die Schwarze Heckenkirsche, der Rote Fingerhut, der bis zu einem Meter hoch werdende Wald-Ziest, die Pfirsichblättrige, die Nesselblättrige und die allseits bekannte zarte Wiesen-Glockenblume. Wir finden den Seidelbast und die Gemeine Akelei, den Frauenfarn und Türkenbund. In den Talwiesen gedeihen der rosagefärbte Schlangenwurz, die Kratzdistel und die Arnika. Viele dieser Pflanzen hat Goethe zu Gesicht bekommen, und er hat sie sehr bewundert.
Und er meinte: Der Botanik als Wissenschaft sind die buntesten und gefülltesten Blumen, die essbarsten und schönsten Früchte nicht mehr, ja in gewissem Sinne nicht einmal so viel wert, als ein verachtetes Unkraut im natürlichen Zustande, als eine trockene, unbrauchbare Samenkapsel.
Auf seinen Reisen hierher besuchte Goethe natürlich auch Marktredwitz, das Goethezimmer im Neuen Rathaus zeugt davon.
Er war zu Gast bei der Fabrikantenfamilie Fikentscher, besuchte in Begleitung eines Sohnes dieser Familie die Glashütte bei Brand. Er bewunderte dort nicht nur die Arbeiter, die riesige glühende Glasscheiben in Schwingung versetzten; man stellte ihm auch entoptische, also trübe Gläser zur Verfügung, mit denen er seine Farblehre beweisen zu können vermeinte. Dies sei hier nur kurz angerissen.
Bevor wir zu seinen mineralogischen und botanischen Forschungen im Egerland kommen, ein kleiner Text, der gut veranschaulicht, wie sich Dichter und Forscher in der Person Goethes vereinen.
Und so sag ich zum letzten Male
Natur hat weder Kern
Noch Schale
Du prüfe dich nur allermeist,
Ob du Kern oder Schale seist.
Als Geologe reiste Goethe ins Egerland, nachdem er durch die Harzreisen 1783 und 1784 unter Führung des Berghauptmanns Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra (ihm seit der beschlossenen Wiederbelebung des Ilmenauer Bergbaus 1777 bekannt und befreundet) bestens präpariert, die Granitfelsen des Ochsenkopfs und der Luisenburg, und er führte ein geologisches Tagebuch. Sein Gesprächspartner ist der Egerer Kriminalrat Grüner. Über den Haslauer Egeran, eine Silikat-Varietät, hatte er schon 1821 einen Bericht verfasst. Und diesem länglichen, schwarzen, unscheinbaren Mineral gab Goethe persönlich einen Namen: Egeran aus Dankbarkeit an seine Gastgeberstadt Eger. Die dazu gehörige geologische Karte zu Haslau vermerkt zu einem Felsen, an dem Goethe auf seinen Exkursionen zu rasten pflegte: „Quarzmasse, welche Göthe liebt und daher für immer nicht berührt werden darf“.
Der Felsen ist noch heute als Gedenkstein erhalten. Über den Egeran diskutierte Goethe aber auch am 3. Juli 1822 in Eger mit dem in Stockholm lebenden Chemiker Johann Jakob von Berzelius und dem Paläobotaniker Kaspar Graf Sternberg, seinem vertrautesten böhmischen Freund, wobei Goethe sich beklagt, sich wegen seines Alters nicht mehr im Gebrauch des Lötkolbens ausbilden zu können, der für den Nachweis von Titan nützlich war.
Aber auch ein völlig unscheinbares Objekt, der Kammerbühl bei Eger, übte eine ungewöhnliche Faszination auf Goethe aus; kein Wunder, besteht doch dieser Hügel, ganz im Gegensatz zur Umgebung aus vulkanischem Basalt. Allein 1808 sind acht Besuche bezeugt. Grund war die ungelöste Frage, ob der Hügel tatsächlich von vulkanischer oder pseudovulkanischer Beschaffenheit sei. Goethe versammelt die Produkte des „problematischen Berges“, zeichnet ihn, schreibt eine Abhandlung „Der Kammerberg bei Eger“. Er plant einen Durchstich, bespricht sich mit Berzelius, der Vulkane in der Auvergne und im Vivarais zum Vergleich heranzieht und stellt ihn 1824 zusammen mit dem Wolfsberg bei Czerlochin und dem Rehberg bei Boden und Altalbenreuth in seiner Zeitschrift „Zur Naturwissenschaft überhaupt“ als submarinen Pseudovulkan zur Diskussion.
Die mineralogische Ausbeute ist beträchtlich. Goethe sammelt, erwirbt oder lässt sich schenken: Minerale von Plau-Sandau, Pograd, Schlada-Delitz und auch von den Fundorten in Marienbad, vom Sangersberg und vom Michelsberg. Dies sind vor allem Augiten vom Wolfsberg, das sind gittermäßig gleich gebaute, schwarz glänzende und gut spaltbare Silikate. Goethe besaß eine ganze Kollektion davon.
Und er verfasste eine Schrift: „Marienbad überhaupt und besonders in Rücksicht auf Geologie“. Darin finden sich insbesondere die Abschnitte „Basalt“, „Serpentin“ und „Pechstein“. Das Serpentin aus Einsiedel, übrigens, wurde zu damaliger Zeit in Sandau zu Gebrauchs- und Ziergegenständen geschliffen. Diese erste Gesteinssammlung wird abgeschlossen, katalogisiert und mit einem „Verzeichnis der um Marienbad vorkommenden Gebirgs- und Gangarten“ versehen. Immerhin 110 Arten werden darin beschrieben. Vierundzwanzig Arten umfasst das Verzeichnis „Gebirgsarten des Wolfsberges“, dem reichlich vier Dutzend Folioblätter über Pflanzen beigefügt sind; dieses Herbarium befindet sich noch heute im Magazin des Marienbader Goethemuseums, wovon ich mich überzeugen konnte, und ein preußischer Prinz war daran nicht unbeteiligt.
Diese Sammlungen gehen teils an die ob der Mengen verzweifelnde Familie Goethe nach Weimar, an die Mineralogische Sozietät nach Jena, an den Prälaten Reitenberger ins Stift Tepl und an den Grafen Sternberg, der sie für das auf seine Anregung hin entstehende Vaterländische Museum in Prag verwenden soll.
Wie stellen sich denn die geologischen Befunde zwischen Eger, Karlsbad und Marienbad, insbesondere des Kaiserwaldes, dar?
Es sei hier nicht auf die 600 Millionen lange Geschichte eingegangen, an derem bisherigen Ende die heutige geologische Struktur mit den großen Brüchen, dem Leitmeritzer Tiefbruch, dem Marienbader Bruch mit dem parallelen Streifen des böhmischen Quarzwalls sowie dem Joachimsthaler Tiefbruch stehen, das würde einfach den Rahmen sprengen. Ich möchte nur auf die wichtigsten Vorkommen eingehen. Vom Serpentinit war schon die Rede. Gleichermaßen begegnen uns natürlich der Basalt, dunkle Steine nach Lavaerkaltung, der Quarzit, der aus feinkörnigem Quarz besteht, der wegen des hohen Quarzgehaltes ähnliche Kontakthornstein, der Erlan. Er entsteht bei Vermengung des Granitmagmas mit Gesteinen mit hohem Anteil an kohlensaurem Kalk, vor allem aber auch als Kalksilikate. Besonders sehenswert sind die Amphibolite und Eklogite, die aus den Basaltgesteinen bei hohem Druck entstehen, dann eine Metamorphose zu Eklogiten führen. Amphibolite bestehen überwiegend aus gemeiner Hornblende, Eklogite bestehen aus Mischkristallen, sie kommen als Linsen oder Bänder in Gneisen und kristallinen Schiefern nicht nur im Fichtelgebirge, sondern auch im Erzgebirge und in den Alpen vor. Der Name Eklogit hat seinen Namensursprung im Griechischen; er leitet sich von „elektos” (auserwählt, farbig) ab. 1810 wurde er erstmalig in Stammbach beschrieben. Eklogite sind kristalline Gesteine von sehr hoher Dichte, die sich sehr häufig im Erdmantel in 10 – 100 km Tiefe vorfinden. Die größten Vorkommen Mitteleuropas befinden sich im Bereich der Münchberger Gneismasse, das größte Einzelvorkommen ist Weißenstein bei Stammbach.
Die Münchberger Gneismasse ist als Teil des Böhmischen Massivs im Kambrium (vor 570 – 500 Millionen Jahren) aus Ablagerungen entstanden und während der Variskischen Gebirgsbildung im Unterkarbon (vor 350 – 280 Millionen Jahren) aufgefaltet worden. Es ist also ein sehr altes Gebirge, wesentlich älter als die Alpen. Aber das nur nebenbei. Um auf Böhmen zurückzukommen: Wir finden im Egerer und Marienbader Gebiet natürlich ebenso Glimmerschiefer, gerade im Tepler Bergland und im Nordwesten des Tillenberges, desgleichen mehrere Arten von Gneis und Graniten.
Es ist wirklich eine faszinierende, mannigfaltige Welt. Wer sich in ihr umschauen möchte, dem sei der Geologische Park in Marienbad wärmstens empfohlen. Er bietet einen sowohl lehrreichen als auch kurzweiligen Rundgang in freier Natur.
Mit vielen dieser Gesteine hat sich bereits Goethe beschäftigt. Ganz kurz nur sei auf das spätere Schicksal seiner Sammlungen eingegangen. Zunächst sei festgehalten, dass er drei Hauptsammlungen besaß, hinzu kamen Folgesammlungen. Insgesamt kommt man auf die sagenhafte Zahl von rund 18000 Einzelstücken. Auch der Geldwert ist bekannt. Nach Goethes Tod bekundete der Deutsche Bund sein Interesse, Goethes Besitz für die Nachwelt zu erhalten. Die Enkel gaben eine Schätzung in Auftrag. Es ist höchst interessant: Von den 20 200 preußischen Talern, auf die der Goethesche Besitz veranschlagt wurde, entfielen immerhin 6276 Taler auf die geologischen Sammlungen, folglich immerhin ein reichliches Drittel. Man akzeptierte ihren Wert. Viele, darunter die Sammlungen aus Böhmen, sind eigens zusammengetragen worden, sie sind auch Aufkäufe und vom Umfang sehr unterschiedlich. Manche Suiten, Folgesammlungen, enthalten nur zwei oder drei Nummern, eine die Probe des London-Tons von 1826, manche hingegen sind sehr umfangreich, wie etwa die Freiberg-Sammlung des sächsischen Oberberghauptmanns Herder. Von den beiden italienischen Reisen liegen zahlreiche Stücke vor. Bei dem Bologneser Schwerspat erkannte Goethe als Erster das Phänomen der Phosphoriszenz. Teile der ersten Sammlung, die Goethe mit dem Theologen Lenz zusammen gestellt hatte, sind heute noch in der Geowissenschaftlichen Fakultät zu Jena zu sehen und öffentlich zugänglich.
Vom wissenschaftlichen Wert der ersten Sammlungen darf man sich übrigens keine übertriebenen Vorstellungen machen. Man sammelte alles durcheinander: Stücke aus der Pflanzen- Tier- und Gesteinswelt fanden sich beisammen. Auch wurde viel Wert auf Kuriositäten gelegt. So heißt es in einer Jenaer Beschreibung von 1783 recht amüsant: „ein wurmstichiges, verrenktes Kamel im Eingangsbereich, oben drüber ein hölzerner Grönländer mit Schweineleder überzogen, dann ist eine Kuh da, die irgendwo einen Fuß zuviel hat und auf ihrem Rücken ein kleiner Seehund. Dabei ein Geschöpf, das wie eine Bank aussah, aber doch Fell und Kopf hatte. Ein kleines Pferd. Daneben ein Harlekin zum Aufziehen mit einer Trommel, auch ein Achat.“
Das war ein sehr kümmerlicher Anfang für eine Mineraliensammlung, die gut 30 Jahre später zu einer der größten ihrer Art in Europa werden sollte.
Seit 1971 kann man auch im Goethehaus in Weimar, in dessem Garten, in einem Schuppen, auf Wunsch Sammlungen besichtigen. Und auch im Wohnhaus selbst gibt es einige Stücke zu sehen. Das große Sammelzimmer existiert allerdings nicht mehr. Goethes Schwiegertochter Ottilie hatte viele Exemplare veräußert, wozu sie laut Testament auch berechtigt war.

„Goethea“ – Pflanze des Humanismus

Vortrag von Sylk Schneider, Weimar, am 6. Januar 2015

In den Jahren 1815 bis 1817 war Prinz Wied zu Neuwied auch in Brasilien. Seine Beschreibungen der Natur- und Pflanzenwelt Brasiliens mit Zeichnungen und Naturgemälden war beeindruckend. Er entdeckte in Bahia eine neue Pflanze, eine brasilianische Malvenart, die er „Goethea“ nannte. Bis heute ist damit Goethes Name als „Brasilianist“ geehrt.
Ritter von Martius, ein junger Mann, der mit seinen Werken („Flora Brasiliensis“ und „Über die Palmenarten Brasiliens) Bedeutendes schuf, war einer der wichtigsten Gesprächspartner Goethes. Er nahm, so heißt es, nur zwei Bücher nach Brasilien mit: die Bibel und Goethes „Faust“. Es gab auch einen regen Briefwechsel zwischen den beiden.
Zitat: „Die berühmte Reise in Brasilien von Johann Baptist von Spix und Carl Friedrich Phillipp von Martius ist bis in die heutige Zeit ein Referenzwerk für Historiker, Naturkundler und Brasilienforscher. Es ist daher nicht verwunderlich, dass dieses große Werk auch den Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe in seinen Bann zog, der sich damals, schon in hohem Alter, gerade dem zweiten Teil des ,Faust‘ widmete. „Das Interesse an Brasiliens Flora und Fauna im damaligen Weimar war groß; es ist daher bezeichnend, dass auch in Goethes Bibliothek Studien zu diesen Themen zu finden waren. Dies wiederum regt uns an, darüber nachzudenken, wie sehr Brasilien die Phantasie Goethes beflügelt haben könnte …“ (Aus dem Grußwort des bras. Botschafters Correa in Deutschland)
Goethe hatte gern Gäste zu Besuch, auch Brasilien-Reisende, die er befragte, weil er im hohen Alter selbst nicht mehr reisen konnte.
1822 erklärte Brasilien seine Unabhängigkeit, die von Deutschland auch anerkannt wurde. Die deutsche Einwanderung nach Brasilien, von der österreichischen Prinzessin Leopoldina, Gemahlin von Kaiser Pedro I., gezielt gefördert, nahm 1824 ihren organisierten Anfang.
Der Dichterfürst Goethe – oder, wie es Dr. Ernst Feder 1932 ausdrückte: Goethe der Brasilianer – hätte zumindest in Gedanken einer von ihnen sein können.
„Goethea“
1932, zum 100. Todestag Goethes, wurde in Rio de Janeiro ein Naturschutzgebiet der „Goethea“ zu Ehren errichtet. In vielen Botanischen Gärten wird dieser brasilianischen Malvenart Ehre erwiesen und auf die Verbindungen zu Goethe und Goethes Brasilieninteresse hingewiesen.

„Ergetzen ist der Musen erste Pflicht. Wieland zum Vergnügen“

Vortrag von Dr. Egon Freitag, Weimar, am 2. Dezember 2014

ausführliche Fassung, mit ergänzenden Anmerkungen eines Vortrags in Gera

Christoph Martin Wieland (1733 – 1813) war Deutschlands erster Bestseller-Autor, einige Zeitlang der meistgelesene und höchstbezahlte deutsche Schriftsteller. So zahlte ihm der Leipziger Verleger Reich für den Staatsroman „Der goldene Spiegel“ 633 Taler, während Goethe für sein Trauerspiel „Stella“ von seinem Berliner Verleger Mylius lediglich 20 Taler erhielt. Wielands Werke wurden zu dessen Lebzeiten bereits in 13 Sprachen übersetzt. Bleibende Verdienste erwarb er sich als Verseerzähler, Romancier, Übersetzer (Shakespeare), Herausgeber und Redakteur (Zeitschrift: „Der Teutsche Merkur“). Er verfasste das erste deutsche Singspiel, nämlich „Alceste“, und schuf als Autor des „Agathon“ den ersten modernen psychologischen Roman in Deutschland.

Er bereicherte den Wortschatz der deutschen Sprache zum Beispiel mit Elfe, Fee, Milchmädchen, Aufklärung, Staatsbürger, Fortschritt, Weltall, Sicherheitsklausel, Wortbrecher, Clique, heimatlos, schmerbäuchig, Teufelspförtner und viele andere. Er schuf auch das Sprichtwort: Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht – aus dem “Musarion”.

Er – und nicht Goethe – prägte auch zuerst den Begriff der Weltliteratur.

Er gab der deutschen Dichtkunst ihre leichte, geschmeidige und graziöse Gestalt. Erfrischend heiter wirken seine Verse heute noch, z. B.

“Ein Busen reizt, der jugendlich gebläht,

Die Augen blend’t und niemals stille steht.”

Herzogin Anna Amalia war begeistert vom Staatsroman “Der goldene Spiegel”, das die Fürsten zu Humanität und wohltätiger Staatskunst für ihre Völker verpflichtete. Er war Prinzenerzieher für die beiden Herzogssöhne, den Erbprinz Carl August und Constantin. Der junge Goethe konnte das Erscheinen des Versromans “Musarion” kaum erwarten, er besorgte sich bereits die Aushängebogen aus der Druckerei.

Wieland wurde als Sohn eines Pfarrers in dem oberschwäbischen Dorf Oberholzheim bei Biberach geboren. Die Familie zog nach Biberach. Er war Student an der Erfurter Universität. Dann sollte er in Tübingen Rechtswissenschaft studieren, verlegte sich aber auf die Dichtkunst. Hier verfasste er sein Erstlingswerk “Die Natur der Dinge oder die vollkommenste Welt”. Das 4000 Verse (Alexandriner) umfassende Gedicht erregte viel Aufsehen. Acht Jahre lebte Wieland in Biberach, lernte dort seine Verlobte, diespätere erfolgreiche Schriftstellerin Sophie la Roche (“Das Fräulein von Sternheim”) kennen. Die Verlobung ging allerdings in die Brüche. Er lebte auch eine Zeitlang in Zürich, bei dem berühmten Professor und Literaturkritiker Bodmer. Selbiger vertrat mit seinem Kollegen Breiting die Ansicht, die Poesie müsse das Schöne nicht allein im Verstand, sondern auch im Gefühl und in der Phantasie suchen. Dies stand den Auffassung des deutschen Literaturpapstes Gottsched schroff entgegen, der auf ästhetischen Regeln nach französischem Vorbild bestand.

Bei Bodmer verliebte sich die Dienstmagd Babet, “eine junge Dralle”, leidenschaftlich in Wieland. Nächtlich überfiel sie ihn in seinem Zimmer. Er rief Bodmer um Hilfe. Bodmer schilderte den Vorfall so: “Sie ward vor Liebe gegen den Faun zur Närrin. Er verriegelte jede Nacht sein Schlafzimmer und legte seinen rostigen Degen entblößt auf die Bettdecke, wenn sie auf ihn einbrach und ihn notzüchtigen wollte, um sich zu schützen.”

Wieland lebte auch eine Zeitlang in Bern, wo er als Hauslehrer tätig war und die geistreiche Patriziertochter Julie von Bondeli kennenlernte. Auch diese Verlobung war nicht von Dauer.

1760 wurde Wieland Senator und Kanzleiverwalter in seiner Heimatstadt Biberach. Er steckte dort zwischen Pflicht und Neigung, zwischen Amtsschimmel und Pegasus. Oft steckte er bis über beide Ohren “in den muffigten Papieren” und stöhnte: “Wie können verse sich mit Akten vertragen?” Dennoch war es eine produktive Zeit. Er schuf dort die erste Shakespeare-Übersetzung (“Der Sturm”). Es war die erste Shakespeare-Aufführung in deutscher Sprache (1762).

Während eines Konzerts zum Cäcilienfest im November 1761 lernte er die 19-jährige Sängerin Christine Hogel kennen. Er war damals 28 Jahre alt, hatte mit ihr die erste wiklich sinnliche Liebesbeziehung.Er wollte sie heiraten, jedoch war er evangeisch, sie katholisch. Dies sorgte für einen Skandal.Auch als sie ein Kind von ihm bekam, führte dies nicht zur Aussöhnung. Er musste ihr entsagen.

1764 erschien Wielands erster Roman “Der Sieg der Natur über die Schwärmerei oder die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva”. Er bezeugt den Wandlungsprozess von einem Schwärmer zu einem skeptisch-realistischen Beobachter und zu einem Aufklärer. Bodmer höhnte enttäuscht: “Wielands Muse ist eine Metze geworden, die sich dem leichtfertigsten Leser in die Arme wirft”. Die Dichter des “Göttinger Hains” zündeten während einer Klopstock-Feier ihre Fidibusse mit dem Papier des Wieland’schen Werkes an und verbrannten wohl auch ein Exemplar des Buches. Wieland galt als großer Sünder und Sitenverderber. Die Weimarer Kirchenzensur verbot anfänglich ebenfalls seine Werke.

Wieland setzte sich vehement für Sinnenlust und natürliche Sexualität ein. Und er war ein treu sorgender Ehemann und Familienvater. Mit seiner Anna Dorothea, einer Augsburger Kaufmannstochter, hatte er 14 Kinder, aber nur neun erreichten das Erwachsenenalter. Anna Amalia: “Wieland hat schon wieder taufen lassen.” 1797 zogen sie nach Oßmannstedt. Der “Agathon”, der erste Entwickungs-, also psychologische Roman, in aufklärerischer Absicht entsteht: “Ergetzen ist der Musen erste Pflicht, und spielend geben sie den besten Unterricht.”

Agathon, ein junger Grieche, gelangt nach einem wechselvollen Leben mit allerlei Missgeschicken schließlich zu ästhetischer Moralität, gebildeter Sittlichkeit, einer humanitären Haltung und zu geistiger Unabhängigkeit. Der Roman trägt autobiografische Züge.

 

Leben und Werk des Verlegers Cotta

Vortrag von Dr. Bernhard Fischer, Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs Weimar, am 4. November 2014

Johann Friedirch Cotta wurde 1764 geboren. Er gehörte mit Bertuch und Göschen zu den damals berühmtesten Verlegern Deutschlands. Er hat viele Werke berühmter Dichter verlegt, zum Beispiel „Wallenstein“ (Schiller) und den „Faust“ (Goethe), des Weiteren Werke von Herder, Fichte, Uhland, Jean Paul und Forster. Unter seiner Regie entstanden erstmals Werksausgaben. Er verlegte Schillers Horen, gründete die „Allgemeine Zeitung“, den Musen-Almanach“ und das „Morgenblatt für gebildete Stände“ und entwickelte dabei einen rastlosen Geschäftssinn. Bei ihm versammelte sich alles, was Rang und Namen hat, so auch die Romantiker und Vertreter des „Jungen Deutschland“. Insgesamt handelt es sich um ca. 1500 Autoren. Cotta gilt als Universal-Verleger. Er erlebte einen kometenhaften Aufstieg. Er übernahm 17000 Gulden Schulden beim Kauf der Druckerei.

1819 überschreitet sein Umsatz die 1-Million-Gulden-Grenze. Im Jahr verdiente er nun 80 0000 Gulden. Er legte eiserne Disziplin, einen untadeligen Charakter und viele Talente an den Tag. Von ihm sind keine autobiografischen Zeugnisse überliefert; alles, was wir von ihm wissen, stammt aus Briefen. Seine Autoren sind ihm Geschäftspartner.

Er äußerte sich nicht zu Politik oder Klatsch. Er holte aber politische Meinungen ein. Er trieb seine Autoren nicht an. Er blieb ihnen gegenüber nachsichtig und verpflichtete sie sich durch seine Generosität. Er zahlte ihre Honorare nach deren Genialität. So erhielten beispielsweise Schiller 35000 Taler, Goethe 150000 Taler.

Er praktizierte zugleich Vertragsfreiheit. Bei jeder Neuauflage partizipierten die Autoren davon. Cotta erwies sich ebenso als Vorreiter der Autorenrechte. Er war somit entschiedener Gegner räuberischer Raubdrucke, setzte sich während des Wiener Kongresses für ein Verbot von Nachdrucken und für Pressefreiheit ein.

Seine verlegten Bücher erweisen sich sowohl als nützlich-belehrend-unterhaltend als auch als marktgünstig.

Er erwarb ebenso Landgüter, versuchte sich dort in rationalisiertem Landbau. Er trug maßgeblich zur Aufhebung der Leibeigenschaft in Baden-Württemberg bei. Er gründete auch eine Tuchfabrik, eine Flachsspinnerei und eine hochmoderne Papierfabrik. Cotta erwies sich als Pionier der Dampfschifffahrt auf Bodensee und Rhein. Dort gab es von Basel bis zur Mündung bereits Dampfschifffahrtsgesellschaften mit abgestimmten Fahrplänen.

Cotta war ebenso an der Erarbeitung einer Verfassung für Baden-Württemberg beteiligt, stand jedoch als Vermittler des Verfassungswerkes auf verlorenem Posten. Er hoffte auf den neuen König Wilhelm I., doch er wurde enttäuscht. Dennoch kam er zu hohen Ehren, wurde sogar in den Ritterstand erhoben. Er avancierte zum Mitglied des Ständigen Ausschusses zwischen den Landtagen, wurde sogar Vizepräsident des Landtages.

Cotta schlägt sich in den weiteren politischen Auseinandersetzungen auf die Seite Preußens und wirkt maßgeblich an der des des württembergisch-bayerischen, später des württembergisch-preußischen Zollvereins mit.

Nachdem die ihm wohlgesonnene Königin Katharina starb, entzog ihm der König seine Gnade. Für Bayer galt er als persona ingrata (als unerwünschte Person). Er verlor all seine Landgüter, erlitt an der Wiener Warenbörse einen herben Verlust. Cotta wirtschaftete nun am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Nur auf verlegerischem Gebiet blieb er erfolgreich. Er starb 1832.