Rückblick

Goethe und Rousseau

Vortrag von Bernd Kemter, Gera, am 1. Oktober 2019

Jean-Jacques Rousseau (1712 – 78) bringt Gründe für einen freien Naturzustand der Menschen vor. In dieser ursprünglichen, natürlichen Ordnung folgt der Mensch ausschließlich seinem Gefühl. In diesem Zustand herrscht die Selbstliebe (amour de soi), aus der alle Gefühle entstehen, im übrigen auch das Mitleid. Allmählich erwachsen im Miteinander primitive gesellschaftliche Ordnungen, in denen der Mensch seine Freiheiten noch weitestgehend bewahren kann. Hier herrscht auch Gleichheit. In der weiteren Entwicklung bilden sich allerdings Kultur, Wissenschaft und Sprache, vor allem aber Eigentum heraus. Freiheit und natürliche Gleichheit lösen sich auf. Die ursprüngliche Selbstliebe verwandelt sich in Selbstsucht, Eigenliebe (amour propre). Arbeitsteilung und Privateigentum treiben den Menschen in Konkurrenzverhältnisse. Dies widerspiegelt sich zum Beispiel in der Rechtsprechung. Sie legt dem Schwachen Fesseln an und verleiht den Reichen ihre Macht. Kultur und Wissenschaft schwächen das natürliche Gefühl. Luxus verdirbt die Menschen. Rousseau stellt diesem Kulturpessimismus sein Freiheitsideal entgegen. Der Weg dorthin führt über die Erziehung, deren Prinzipien in seinem Buch „Emile“ niedergelegt sind. Demnach beschützt und belehrt der Lehrer seinen Zögling, lässt ihm Freiheiten, achtet darauf, dass das Kind durch eigene Erfahrungen lernt.
In seinem „Gesellschaftsvertrag“ – Contrat social – propagiert Rousseau kleine demokratische Gemeinwesen, in denen die Mitglieder einfach leben und nach Recht und Vermögen gleich sein sollen. Der Mensch unterstellt sich deren Gesetzen. In diesen Gemeinwillen geht zugleich sein eigener ein, so dass individuelle Freiheit und Gleichheit gewahrt bleiben.
Goethes Interesse an Rousseau lässt sich zunächst an dessen Hinwendung zur Natur belegen. Einen „Kollegen“ botanischer Studien sieht Goethe in dem Schweizer allerdings nicht, anerkennt jedoch dessen Naturschwärmerei. So schreibt Goethe: „In Rousseaus Werken finden sich allerliebste Briefe über die Botanik, worin er diese Wissenschaft auf das fasslichste und zierlichste einer Dame vorträgt. Es ist recht ein Muster, wie man unterrichten solle.“ Ein Lob, das lediglich der Didaktik Rousseauschen Vortrags gilt. Ernster und ein wenig respektvoller nimmt Goethe den Genfer Naturliebhaber allerdings in einem weiteren Zitat: „Wer wollte nicht dem im höchsten Sinne verehrten Rousseau auf seinen einsamen Wanderungen folgen, wo er, mit dem Menschengeschlecht verfeindet, seine Aufmerksamkeit der Pflanzen- und Blumenwelt zuwendet und in echter gradsinniger Geisteskraft sich mit den stillreizenden Naturkindern vertraut macht.“
Wenn man bedenkt, welch unerhörtes Phänomen Rousseaus Kulturpessimismus im Rahmen der europäischen Aufklärung darstellt, ist Goethes Wortkargheit in der Würdigung von Rousseaus Einfluss auf das eigene Schaffen nahezu befremdend.
Die Gründe für diesen Mangel an ausdrücklichen und eindeutigen Stellungnahmen von seiten Goethes, wenn man von seinen botanischen Interessen absieht, mögen einfach mit jenem Rezeptionsvorgang erklärt werden, den der US-amerikanische Literaturwissenschaftler Harold Bloom als Einflussangst beschrieben hat.
Es liegt aber auch die Vermutung nahe, so macht die venezianische Germanistin Stefania Sbarra geltend, Goethe habe nach 1789 im Autor des Contrat social den Vorläufer der Französischen Revolution samt ihren Gräueltaten erblickt und konsequenterweise von ihm Abstand genommen. Zu dieser Annahme veranlasst folgender Passus aus „Dichtung und Wahrheit“:
„Diderot war nahe genug mit uns verwandt; […]. Seine Naturkinder […] behagten uns gar sehr, seine wackeren Wilddiebe und Schleichhändler entzückten uns, und dieses Gesindel hat in der Folge auf dem deutschen Parnass nur allzu sehr gewuchert. So war er es denn auch, der, wie Rousseau, von dem geselligen Leben einen Ekelbegriff verbreitete, eine stille Einleitung zu jenen ungeheueren Weltveränderungen, in welchen alles Bestehende unterzugehen schien.“ Ein gewisses Verständnis für die ungeheuren weltpolitischen Ereignisse, aber auch der Ablehnung der sich anbahnenden jakobinischen Schreckensherrschaft finden wir dezidiert in Goethes „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“. Dies nebenbei.
Weder in der bis zum Überdruss wiederholten Formel „Zurück zur Natur“, die übrigens in keinem Werk Rousseaus zu finden ist, noch in einer Aufforderung zur Revolte hat Goethe gefunden, was er in der Auseinandersetzung mit seinem Selbst brauchte, sondern in Rousseaus Kritik der Eigenliebe, die den Schwerpunkt all seiner Werke bildet. Goethes Rousseau-Lektüre zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihn mit einer Psychologie des modernen Subjekts vertraut macht, die ihm zum Verständnis des eigenen Künstlertums in Bezug auf die Eigenliebe-Pathologie des zivilisierten Menschen verhilft. Nur vor dem Hintergrund dieser Kritik am zivilisierten Menschen gewinnen sämtliche Naturparolen genaue Konturen und jene Einmaligkeit, die Rousseau von anderen, bereits vor ihm hervorgetretenen Sängern des ländlichen Lebens unterscheidet. Nicht allein in der Verherrlichung idyllischer Naturszenen einer weit hinter uns liegenden Zeit ist Rousseaus Einfluss auf Goethe zu suchen. Wenn dem anders wäre, darauf macht Sbarra zu Recht geltend, hätte schon Hallers Gedicht „Die Alpen“, von Goethe geschätzt, genug für den Gegensatz Land-Stadt und Tugend-Laster geleistet und in der Schweiz die idyllische, aber konkrete Alternative zur Zivilisation zugänglich gemacht.
Der Zusammenhang von Eigenliebe und Zivilisation prägt die aufgeklärte Messe- und Universitätsstadt Leipzig, wie sie Goethe 1765 bis 1768 erlebt. Hier beobachtet er mit Erstaunen, wie sich die Menschen dem sinnlichen Genuss verschrieben haben. In Klein-Paris orientieren sich nicht wenige Studenten am Ideal der Galanterie, und die jungen Frauen sind allzusehr damit beschäftigt zu verführen und zu gefallen. Alle wollen ihre soziale Lage verbessern.
Ehrgeiz, Aufstiegsträume, Unzufriedenheit mit der Lage, in die man hineingeboren ist: So stellt sich auch Rousseau das Profil des stets unruhigen modernen Menschen vor, wenn er als Gegenbild dazu seinen homme naturel entwirft, der sich gelassen mit seiner Situation zufrieden gibt.
Dagegen erscheint Goethe als junger begabter Dichter, seiner Eigenliebe verfallen. Denn wenngleich Goethes Leben als Schriftsteller die eindeutigste Stellungnahme gegen Rousseaus Ächtung der Kunst darstellt, so ist nicht auszuschließen, dass er sich hat schmerzlich auseinandersetzen müssen mit solch einer Aussage wie: „Jeder Mensch, der mit angenehmen Talenten seine Zeit verbringt, will gefallen, bewundert werden, und er will mehr bewundert werden als ein anderer. Der öffentliche Beifall gehört ihm allein; ich würde sagen, dass er alles tut, um ihn zu erhalten. Wenn er nicht noch mehr täte, um seine Konkurrenten um diesen Beifall zu bringen.“
Diese Sucht des Künstlers nach öffentlichem Beifall, wird sie nicht am vernehmlichsten im „Torquato Tasso“? Der Schmerz und die Ohnmacht des Dichters gegenüber der Herabsetzung und der Spötteleien des dünkelhaften Hof- und Weltmannes Antonio sind für uns zutiefst nachfühlbar. Doch auch in weiteren Werken scheint die Eigenliebe als Produkt der Kultur auf.
Im Monodram „Pygmalion“ feiert Rousseau die Herstellung der idealen Elfenbein-Frauenskulptur durch den trunkenen Bildhauer als natürlichen Akt. Goethe hingegen sieht in seinem gleichnamigen Jugendgedicht die Statue als Kunst und schöpferische Kulturtat, warnt jedoch zugleich davor, sie zu überfordern, indem sie in die Natürlichkeit übergehen soll. Worum geht es bei diesem, auf Ovid zurückgehenden Sujet?
Der zypriotische Bildhauer Pygmalion schafft eine Statue, die er als sein Meisterwerk ansieht. Wahnsinn und Imaginationskraft des Künstlers standen hierbei Pate. Er verliebt sich in die Statue, behandelt sie als Frau von Fleisch und Blut. Aphrodite erbarmt sich seiner und lässt die Statue lebendig werden. Goethe kritisiert den ursprünglichen Pygmalionmythos und auch die Rezeption Rousseaus, wie Leonie Nießeler, Uni Augsburg, in ihrem Aufsatz klar herausarbeitet. Goethe stellt die Kunst über die Natur und betrachtet Pygmalion als „Pfuscher“ und „Dilettant“, wenn er sich einbildet, das vollkommene Kunstwerk müsse lebendig werden und somit in die Natur zurückfallen. Deutlich unterstreicht er diese Ablehnung eines Pygmalionmythos als reines erotisches Abenteuer in seinem eigenen Gedicht Pygmalion, das im Leipziger Liederbuch für Anette veröffentlicht wurde. Hier bestraft er Pygmalion für seine Abwendung von den realen Frauen und sein Begehren einer Statue damit, dass er ihn eine Prostituierte heiraten lässt.
Nießeler stellt nun Rousseaus Kunstverständnis demgegenüber, es sei charakterisiert durch ein Zusammenwirken von Kunst und Natur, und nur durch die Verlebendigung der in der Form vollkommenen Statue könne die „Ordnung der Natur“ wieder hergestellt werden. Er stellt die schöne Seele in den Vordergrund, und nur indem er die künstlerische Vollkommenheit des Körpers zurückstellt, kann die Seele erwachen und im Sinne der Aufklärung spricht die Statue zuerst das Wort „Moi“ und erkennt sich damit selbst. Soweit Leonie Nießeler zum ausschließenden Gegensatz beider Kunstkonzeptionen.
Rousseau beklagt die Sucht, sich auszuzeichnen, als Übel der modernen Konkurrenzgesellschaft. Goethe widerstrebt dies, er bekennt sich als Schriftsteller zur modernen Dimension der Eigenliebe. Von jetzt an ist er von der Sucht angesteckt, ein erfolgreicher Künstler zu werden. Die Absage an pietistische Werte, die nach seiner Krankheit nach dem Leipziger Aufenthalt kurzzeitig maßgeblich wurden, nimmt Clavigos Ehrgeiz vorweg. Sie bedeutet die Identifizierung mit dem modernen, unruhigen, ja zerrissenen Subjekt jener von Eigenliebe geprägten Welt, die Rousseau zur harten Polemik gegen die Fortschrittsgesellschaft veranlasst hatte. Die vorhin bereits zitierte Stefania Sbarra resümiert: Damit verschiebt sich also der Schauplatz des Zusammenpralls zwischen den von Rousseau polemisch vertretenen antimodernen Werten und der ichbezogenen Eigenliebe des modernen Menschen in Goethes Inneres.
Auch im Lustspiel „Die Mitschuldigen“ inszeniert Goethe eine bürgerliche Welt von genusssüchtigen Menschen, die sich im modernen Leipzig um des plaisirs willen gegenseitig betrügen. Die psychische Lage des modernen Subjekts findet hier ihren Ausdruck. Es verabschiedet sich in einem Wirbel von Vergnügungen und Zerstreuungen von allen herkömmlichen moralischen Werten, um sich ausschließlich der rastlosen Suche nach dem flüchtigen Genuss hinzugeben.
Auch ein weiteres Goethe‘schen Werk offenbart rousseausche Einflüsse: „Die Leiden des jungen Werther“. Das Kultbuch aller Liebenden und Liebesuchenden schlechthin aber ist und bleibt dieser monologischer Briefroman. Werther, ein gebildeter junger Mann, erschießt sich aus unerwiderter Liebe zu einer verheirateten Frau. Heute wie zu seinem Erscheinungsjahr 1775 bewegt dieser Roman die Gemüter, identifizieren sich junge Menschen mit dem Titel,,helden“. Goethe holte sich die Inspiration zu diesem Werk zum Teil aus seinem privaten Umfeld, zum Teil ließ er sich aber auch von Philosophen, Schriftstellern und Gelehrten der damaligen Zeit beeinflussen. Es ist bekannt, dass er vor der Niederschrift der „Leiden des jungen Werthers“ das Gedankengut des Schweizer Philosophen und Schriftstellers Jean-Jacques Rousseau eingehend studiert hatte. Kann man im Roman „Die Leiden des jungen Werther“ nun den Einfluss Rousseaus feststellen und sind dessen Aussagen heute noch von Gültigkeit?
Die Autorin Carola Hoffmann geht der Frage nach den Bezügen des gegebenen Textausschnitts Rousseaus und Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“ nach: Jean-Jacques Rousseau befasst sich in seiner ausgezeichneten Preisschrift „Discours sur les sciences et les arts“ mit der Frage, ob der Fortschritt von Wissenschaft und Kunst zur Läuterung von Sitten und Moral beigetragen hat. Goethes „Werther“, ein klassischer Sturm-und-Drang-Roman, erzählt die Geschichte eines unglücklich verliebten, schnell zu brechenden jungen Mannes, der sich resignierend das Leben nimmt, wie bereits erwähnt. Auf den ersten Blick stellt der Laie zwischen diesen beiden Themen keinen konkreten Zusammenhang fest, bei näherer Betrachtung ist der Einfluss Rousseaus auf Goethes Roman allerdings unverkennbar. Werthers einzige Leidenschaft, vor der Bekanntschaft Lottes, ist die Natur. Die Briefe an seinen vertrauten Freund Wilhelm sind voller Liebesbekundungen an die Umgebung seines neuen Wohnsitzes Wahlheim, er spricht von „Verzückung, Gleichnissen und Deklamationen“ (10. Mai 1771; 27. Mai 1771). Dort hat er die Zeit und Muse, sich der Kunst und Literatur zu widmen. Tagein, tagaus beobachtet er voller Wonne die Naturerscheinungen, die er sogleich auf Papier festhält. Werther meint, das Studium der Natur und seiner Lieblingslektüre, ein Band Homer, allein seien Beweis eines fortgeschrittenen Bildungsgrades (13. Mai 1771).
Er will sich in der Natur selbst finden, die Philosophie Rousseaus bestärkt ihn darin. Werther befindet die Natur zum besten und geeignetsten Lehrmeister eines Künstlers. Zwar lassen Regeln und Gesellschaftsformen Menschen keineswegs zu Bösewichten oder Unsympathen verkommen, ein individueller Charakter kann sich aber mit ihnen nicht entwickeln. Dieser Brief lässt bei Werther pietistische Ansätze erkennen, denn mit den lebendigen Glaubenserfahrungen, die er in der Natur sammelt und seiner enthusiastischen Frömmigkeit, vertritt er diese Bewegung. Und nicht nur dies. Hoffmann weist zu vollem Recht auf einen weiteren Umstand hin. So habe Rousseau in seinem „Discours sur les sciences et les arts“ die Vorstellung einer Frühzeit der menschlichen Gesellschaft, eines Naturzustands entwickelt, der noch nicht durch Arbeitsteilung, soziale Differenzierung und Privateigentum sowie die mit diesen Phänomenen einhergehende Entfremdung bestimmt ist.
Werther beschreibt in seinen Briefen auch einen ständigen Umbruch, bedingt durch seine Wanderschaften. Diese Wanderschaften bedeuten für ihn eine grenzenlose Freiheit, ohne von Nichtigkeiten eingeschränkt zu sein. Es scheint, als würde er erst in der Natur zu seinem wirklichen Ego finden, seine originären Wesenszüge entdecken. Es könnte genau jener „Naturzustand“ sein, den Rousseau meint. Außerdem schreibt der Schweizer, ganz im negativen Sinne, dass erst Kunst und Literatur aus Menschen zivilisierte Lebewesen machen. Das deckt sich mit Goethes „Werther“, denn die ursprüngliche Natur hat keine Zivilisation vorgesehen und kennt keine Verhaltensregeln.
Werther sehnt sich sehr nach einer Gesellschaft, die die inneren Werte und nicht Adelstitel und Reichtum als Messlatte für Sympathien sieht. Er befindet das Ständesystem zwar für notwendig, sieht es aber auch als Hindernis für persönliche Beziehungen (24. Dezember 1771). Dies merkt man besonders deutlich, als Werther eine demütigende Zurücksetzung bei einer adeligen Gesellschaft hinnehmen muss, die ihn tief berührt (15. März 1772). Sein befreundeter Vorgesetzter zeigt sein wahres Gesicht, als Werther bei einer Adelsveranstaltung von den Anwesenden nicht geduldet wird und bittet ihn, die Festlichkeit, ohne Rücksicht auf die persönliche Bindung beider, zu verlassen. Sogar seine Bekannte, Fräulein von B., kann mit diesem Fehlverhalten Werthers nicht leben und soll den Kontakt abbrechen (16. März 1772). Werther kehrt dem Ort daraufhin enttäuscht von der unehrlichen und vorurteilsbeladenen Gesellschaft den Rücken (24. März 1772). Um nicht mit dieser Erniedrigung leben zu müssen, reist er mit einem Grafen, der jedoch sehr gefühlskalt ist. Dies ist für ihn Grund genug, auch den Grafen bald zu verlassen und nach Wahlheim zurückzukehren (18. Juni 1772). Seine Ablehnung aller gesellschaftlichen Normen lässt ihn zum Außenseiter werden. Goethe kritisiert durch Werther auch die Bürger, die sich nicht trauen, Freiheiten einzufordern, sondern sich Adeligen genügsam unterordnen.
Weiterhin kritisiert der Titel,,held“ Werther die stumpfsinnige Gesellschaft, deren Hauptziel die Bedürfnisbefriedigung und Leben nach vorgegebenen Regeln ist (22. Mai 1771). Nur die Kinder, von denen er im Roman einige liebgewinnt, leben nach Werthers Vorstellung noch richtig: unbeschwert und uneingeengt. Ihnen sind Literatur, Kunst und Statussymbole meist noch fremd, sie leben nach ihrem inneren Trieb. Man kann also annehmen, dass der Charakter bei Kindern noch unverfälscht und rein ist. Kinder gefallen vor allem durch ihre Unbefangenheit und Ungezwungenheit. Sie faszinieren Werther vielleicht genau deswegen, weil sie „ungeschliffene Diamanten“ sind, die erst im Laufe der Jahre von Lehrern, Eltern und weiteren Bezugspersonen bearbeitet werden. Die ursprüngliche Schönheit einer Person zeigt sich also in der Kindheit, in der Unterschiede im Verhalten, genau wie Rousseau in seinem Erziehungsroman „Emile“ festgestellt hat, Unterschiede im Charakter sind. Bei der ersten Begegnung mit Lotte verliebt sich Werther auf den ersten Blick in sie, er sieht dieses wunderbare Wesen im Gegensatz zu verbitterten Jungfern und herrschsüchtigen Amtmännern. Lotte, selbst noch ein sehr junges Mädchen, lebt wie es ihr gerade zumute ist. Obwohl ihr geraten wird, Werther „um der Leute willen“ nicht mehr so oft zu empfangen, lädt sie ihn immer und immer wieder zu sich ein, da sie seine Gesellschaft als ein sehr hohes Gut sieht. Werther nimmt für seine Liebe zu Lotte alles in Kauf, ihm ist das Gerede über die außergewöhnliche „Freundschaft“ egal. Ihr vom ersten Moment an verfallen, schätzt er an Lotte gerade deren liebevolle Erziehung der Kinder. Obwohl sie mit Albert verlobt ist, ihn später sogar heiratet, kann sie nicht von Werther lassen. Albert ist im Buch ein klassischer Vertreter der Aufklärung, er verhält sich zwar höflich, ist aber auch gefühlskalt. Im Gegensatz dazu steht der heißblütig liebende Werther, der einen typischen Sturm-und-Drang-Helden verkörpert. Die Kinder und Lotte sind bei Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ ein Mittel, die Botschaft Rousseaus zu verbreiten, dem Leser die Begeisterung Werthers für ein Leben ohne aufgezwungene Lasten wie Sitten und Benimmregeln nahezubringen. Im Verlauf des Buches heiratet Lotte Albert. Obwohl Werther anfangs glaubt, Lotte hege für ihn Gefühle (13. Juli 1771), scheint dies durch die Heirat widerlegt zu werden. Nach Meinung Carola Hoffmanns vermählt sich Lotte aber nur, um den Sitten zu entsprechen und nicht verpönt zu werden. Es wäre ein Ding der Unmöglichkeit, die Verlobung mit Albert zu lösen. Dieser Punkt deckt sich mit Rousseaus Aussage, “immerzu folgt man der Konvention, niemals dem eigenen Wesen. Man wagt nicht mehr, sich so zu zeigen, wie man ist; und unter diesem ständigen Zwang werden die Menschen dieser ‚Gesellschaft‘ genannten Herde in gleichen Situationen alle das gleiche tun, wenn nicht stärkere Beweggründe sie davon abhalten“. Lotte, zuerst noch ungezwungen, wandelt sich zu einem „Herdentier“, das sich der Hierarchie der damaligen Zeit beugt und halbherzig die Ehe mit Albert eingeht. Insgeheim hofft sie, dadurch die Gefühle zu Werther zu vergessen, was ihr aber nicht gelingt. Der junge Werther kann die Zuneigung Lottes nie genau einschätzen, da sie sich zu keinem Zeitpunkt eindeutig zu ihren Gefühlen äußert, genau diese Ungewissheit treibt ihn letztendlich in den Tod. Bei Rousseau heißt es: „Um seinen Freund kennenzulernen, wird man also die bedeutsamen Gelegenheiten abwarten müssen, das heißt abwarten, bis es dafür zu spät ist, denn gerade dieser Gelegenheit wegen wäre es wichtig gewesen, ihn zu kennen.“ Diese Passage ist auf Werthers Selbstmord zu beziehen. Lotte weiß, was er mit der Pistole, die ein Knabe aus ihren Händen für Werther entgegennimmt, plant; trotzdem wagt sie es nicht, einzuschreiten oder ihn zu bewegen, die Tat zu unterlassen. Sie spürt, nicht zuletzt aufgrund der tiefen Freundschaft, die sie mit Werther verbindet, dass sich dieser, zum Ende hin schwer depressiv, sich mit der Pistole das Leben nehmen wird. Lotte hätte in der „bedeutsamen Gelegenheit“ des geplanten Selbstmordes zu Werther eilen und ihm Lebensmut zusprechen können, aber die Feigheit, ihrem Ehemann die Ahnung über das schreckliche Vorhaben Werthers vorzuenthalten, lässt diesen seinen Plan durchführen. Lotte wäre für Werther bestimmt ein „stärkerer Beweggrund“ gewesen seine Tat zu unterlassen, so verehrt er sogar noch sein eigenes Mordinstrument, weil Lotte es berührt hat. Seinen Selbstmord befindet Werther als eine große Tat, da sie den bürgerlichen Konventionen ganz und gar widerspricht. Dass es aber auch eine Flucht vor sich selbst und vor seinen Kritikern ist, übersieht er in seinen Depressionen wohl ganz.
Weiterhin stellt Carola Hoffmann die Frage nach der Gültigkeit der Kritik Rousseaus und versucht, selbige zu beantworten: Ihrer Meinung nach ist die Preisschrift Rousseaus heute aktueller denn je, Wissenschaft, Kunst, Literatur und die neuen Medien sind die Werkzeuge der Menschheit, mit deren Hilfe sie sich verwirklichen und informieren. Keine Regierung und keine Gesetze können Menschen helfen, zu sich selbst zu finden. Genau bei diesem Prozess unterstützen aber diese vier Informationsquellen; sie bilden im Stillen Charaktere aus, können diese aber auch verfälschen, wenn Geschriebenes ohne Überlegungen übernommen wird. Genau dies ist aber die Problematik: Woher soll man wissen, was richtig und was falsch ist? Tagtäglich berieseln uns die Medien mit neuen Erkenntnissen der Forschung, aber auch mit Gewalttaten und Kriegsberichten. Viele Menschen können diese Informationen aber nicht verarbeiten und übernehmen die Meinungen, die ihnen vorgetragen werden. Oft hört man von einer Verrohung der Jugend und deren Sitten. Maßgeblich für das Verhalten sind aber deren Erzieher, die ihnen auf ihrem Weg zum Erwachsensein entweder keine Hilfe leisten, schlechte Vorbilder sind oder die Erziehung dem Fernsehen oder Computer überlassen. Von früh auf wird Kindern eingetrichtert, sie müssen sich selbst in dieser gefühlskalten Welt in den Mittelpunkt stellen, um erfolgreich zu werden. Sie wachsen mit der typischen Ellenbogengesellschaft auf und sehen die Nachteile dieser übertriebenen Selbstverwirklichung nicht. Ein weiterer aktueller Punkt sind die Regeln der Gesellschaft. In Knigge-Kursen und ähnlichen Veranstaltungen kann das weitläufige Publikum vorgegebene Benimmregeln mühelos erlernen und damit seiner Umgebung dieses Verhalten vorführen. Man kann diese Menschen dann auf den ersten Blick nicht mehr voneinander unterscheiden: Wer ist von Natur aus höflich und freundlich, und wer hat es sich nur antrainiert? Die Gesellschaft fordert heute jeden einzelnen, sein Schema, in das er durch Schulabschluss und Freunde gepresst wird, bis an sein Lebensende zu erfüllen. Sein privater Charakter oder seine ursächlichen Interessen bleiben dabei auf der Strecke; was zählt ist der Schein. Wahre Freunde gibt es in der heutigen Welt wahrlich nur noch wenige, denn sie zu durchschauen und zu ihnen Vertrauen zu finden, bedarf eines langen Zeitraumes. Wenn Freundschaften eingegangen werden, dann meist im Kindesalter, wo Umgangsformen und Wissenschaft nur eine nichtige Rolle spielen. Die Kinder handeln noch mit dem Herzen, ohne ihren Verstand allzusehr zu benutzen. Vielleicht halten gerade diese Freundschaften ein ganzes Leben, weil sie auf einer soliden Basis, der Ehrlichkeit, aufgebaut sind. In oberflächlichen Freundschaften kommt die Aufgesetztheit meist in entscheidenden Situationen zum Vorschein, denn gerade in Notfällen zeigen diese untreuen Weggefährten ihr wahres Ich und lassen einen im Stich. Enttäuschungen sind die Folge.
In dieser Einschätzung werden die Enttäuschungen der jungen Autorin Hoffmann deutlich, die ihre Erfahrungen offensichtlich aus ihrer eigenen Kindheit und Jugendzeit schöpft und sie mit den späteren einer schon Erwachsenen vergleicht. Rousseau habe mit seiner Preisschrift die Problematik schon der damaligen Gesellschaft richtig erkannt. Später habe diese Problematik immer mehr an Gültigkeit gewonnen und, so stellt die Autorin fest, dieser Prozess wird im heutigen Zeitalter der totalen Industrialisierung, Automatisierung (und Digitalisierung) tagtäglich aktueller werden. Auf der Suche nach immer aufregenderen Abenteuern und exotischeren Veranstaltungen werden die zwischenmenschlichen Beziehungen immer mehr zweitrangig. Sie werden meist häufig nur noch per Email oder Telefon gepflegt, der körperlich nahe Kontakt gerät zur Ausnahme. Bild- und Mobiltelefone tun ihr Übriges, um den Menschen das hohe Gut der Freundschaft oder gar Liebe zu entfremden.
Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ kann man getrost einen Klassiker der Literaturgeschichte nennen. Sein Thema, die Liebe, wird immer aktuell und hoffentlich nicht vergänglich sein. Obwohl die Naturbetrachtungen Werthers sehr langwierig und mitunter schleppend sind, ist das Buch eine interessante Lektüre für Jung und Alt, und die Naturbetrachtungen des jungen Werther öffnen die Augen für die Dinge des Alltags, die nur noch selten wahrgenommen werden. Es ist ein Appell an Leidenschaft, Natur, an die Liebe und an das Gefühl, um diese vier Dinge wieder über Anstand und Materialismus zu stellen.
Natürlich übertreibt der Titelheld Werther im Roman mit seinem kläglichen Selbstmord, denn durch seine Jugend hätte er bestimmt in seinem Leben noch mehr Frauen kennengelernt, deren Wesen ebenso liebenswürdig gewesen wäre wie Lotte es war. Auch der Bezug des Buches zu der ersten Preisschrift des Schweizer Philosophen, Schriftstellers und Musikers Jean-Jacques Rousseau ist ein interessanter Aspekt des Romans. Das Buch gewinnt dadurch an Aussage, es scheint fast, als wolle Goethe damit die Botschaft Rousseaus seinem Publikum verkünden und damit zu „Sturm und Drang“ auffordern, um das Leben ohne die starren Regeln der Gesellschaft zügelloser und ausgelassener zu genießen. Goethes Werk „Die Leiden des jungen Werther“ rebelliert mit einer großen Portion Ironie gegen Adelsstand und Falschheit, das tragische Ende des Werther lässt aber auch einige Fragen offen.
Ein weiteres, sehr erhellendes Thema wäre ein Vergleich zwischen dem „Werther“ und Rousseaus „Neuer Heloise“, auf das hier aus Zeitgründen nicht eingegangen werden kann.

Sommerfest am Trusetaler Wasserfall

Ausflug am 31. August 2019

Unser Sommerfest um Goethes Geburtstag führte uns, Erfurter und Geraer Goethefreunde, zum Trusetaler Wasserfall. Wie bei jedem Ausflug erzählte uns Herr Kemter Wissenswertes schon während der Busfahrt über unser Ausflugsziel. Dort hörten wir schon nach wenigen Schritten starkes Wasserrauschen. Der künstliche Wasserfall wurde in seiner jetzigen Form Mitte des 19. Jahrhunderts geschaffen – eine Sehenswürdigkeit für uns ALLE!

Unseren Durst und Hunger stillten wir in der nahegelegenen Gastwirtschaft. Eine Überraschung war der Auftritt der Schauspielerin Anne Seibt, die mit dargestellten Szenen aus der „Legende vom Brautbett“ eine gelungene Abwechslung für uns war. Danach gingen wir nochmals zum Wasserfall, um weiteres Geschichtsträchtiges zu erfahren. Nach dem Abendessen sangen wir Lieder, so vom Rennsteig und überhaupt vom Thüringer Wald. Es war ein wunderschöner Ausflugstag mit viel Natur, frischer Luft und Wissenswertem über unser schönes Thüringen.

Renate Dalgas

Begegnung mit der Antike: Voß, Wieland, Klopstock, Goethe

Vortrag von Prof. Hans-Joachim Kertscher, Halle, am 3. September 2019

Kertscher ging zunächst auf Briefe des Dichters Johann Ludwig Wilhelm Gleim (1719 – 1803) ein. Sie behandelten auch den Umgang mit den Versmaßen, zum Beispiel Hexameter, Jambus, Daktylus. Im Griechischen stellen sie sich relativ einfach dar, im Deutschen wird es schwierig. Man muss Anpassungen versuchen. Über das Wie entstand Streit. Christoph Martin Wieland (1733 – 1813) wurde zur Beschäftigung mit der Antike durch Glucks Oper „Alceste“ angeregt. Er ließ sie in Weimar aufführen. In seinem „Teutschen Merkur“ behandelte er die Figurengestaltung in der antiken Tragödie des Euripides. Gegen diese Antiketümelei wandte sich der Spott Goethes in seiner Satire „Götter, Helden und Wieland“. Selbiger meinte nur lakonisch: „Man muss die Herren ein wenig toben lassen.“ Für seinen „Merkur“ kündigte er übrigens höchst nachsichtig und keineswegs übelwollend Goethes Persiflage zur Veröffentlichung an. Goethe schrieb daraufhin einen Versöhnungsbrief. In Wielands Lehrgedicht „Die Natur der Dinge“ ging es auch um das Verhältnis der Versmaße Alexandriner (sechshebige Jambenzeile, die nach der dritten Hebung, also der sechsten Silbe, eine Zäsur hat – Einschnitt, Sprechpause – und mit einem Auftakt beginnt) und Hexameter. Goethe bevorzugte den Hexameter, wovon seine Werke „Hermann und Dorothea“ und „Reineke Fuchs“ zeugen. Ein Hexameter besteht aus sechs Daktylen, deren letzter um eine Silbe verkürzt ist; der Vers wird durch eine Zäsur, die an verschiedenen Stellen der Versmitte eintreten kann, gegliedert. Daktylus: ein aus einem langen bzw. betonten und zwei kurzen bzw. unbetonten Teilen bestehender Versfuß. Goethe ging es um einen direkten Zugang zur Antike, befreit von der Patina vergangener Jahrhunderte.
Auch Johann Heinrich Voß (1751 – 1826) übte sich auf diesem Gebiet. Er begann mit seinen Übersetzungsarbeiten aus dem Griechischen mit Gedichten für den Göttinger „Musenalmanach“. Er beschäftigte sich mit den antiken Versmaßen und deren Übertragung ins Deutsche. So übertrug er den 14. Gesang der „Odyssee“, schickte den Text zu Wieland zum Druck im „Merkur“. Dies bedeutete auch eine Abkehr von Klopstock, mit dem ein Streit entbrannte, denn es gab unterschiedliche Positionen zu den Versmaßen und zur Möglichkeit von Übersetzungen. Friedrich Gottlieb Klopstock (1733 – 1813) favorisierte „geschmeidige Abfassungen“. Voß hingegen wollte die deutsche Sprache in ihrer Neufassung dem Griechischen anpassen. Dagegen meinte Klopstock, die deutsche Sprache sei schon so ausgereift, dass Eingriffe nicht nötig seien. Beide kündigten sich ihre Freundschaft auf.
Voß schwärmte von den Hexametern in der „Ilias“ gegenüber Wieland. Immer wieder bemühte er sich, der Lebendigkeit der griechischen Sprache im Deutschen so nahe wie möglich zu kommen. „Die erste Pflicht sei Genauigkeit“. Auch heute noch sind Voß‘ Übertragungen gültig.
Im Juni 1794 gab es in Weimar ein großes Dichtertreffen, an dem auch Voß teilnahm. Wieland bemühte sich darum, Voß zu vermitteln, wonach Goethe bei all seiner Steifheit doch ein guter Gesprächspartner sei. Voß hatte nämlich seine Vorurteile: Goethe sei sehr steif und hochmütig. Doch er ließ sich überzeugen: „So werde ich den Kauz wohl kennenlernen.“ Es gab zwischen ihnen ein längeres Gespräch. Anwesend waren Heinrich Christian Boie (1744 – 1806) und Johann Gottfried Herder (1744 – 1803). Schiller fehlte, zeigte sich aber von Voß‘ Übersetzung der „Ilias“ beeindruckt. Voß las aus der „Odyssee“. Goethe äußerte sein Wohlwollen, meinte aber, der Text sei mehr fürs Ohr als für das Auge geeignet. Voß legte seine anfänglichen Vorurteile über Goethe ab, zeigte sich merkwürdigerweise letztendlich doch enttäuscht: „Meinen Homer hat er nicht gut aufgenommen.“ Andererseits und immerhin: „Wieland las mit mir einige Hexameter.“
Für Wieland war bei der Verdeutschung stets der Geist, der aus dem Text sprach, wichtig. Voß suchte nach Wielands Meinung den Geist zu sehr und akribisch in der Form, er tue damit dem deutschen Geschmack Gewalt an. Damit offenbarte Wieland ein recht ambivalentes Verhältnis zu Voß‘ Bemühen. Den Geist müsse man erfassen, weniger die Sprache. Trotz allem zeigten ihm (Voß) die großen Weimarischen Geister doch ihr Wohlwollen. So trug Goethe während seiner „Freitagsgespräche“ einige Verse aus der „Ilias“ vor: offenbarte rühmliches Anerkennen des Übersetzers.
Voß wandte sich dann allmählich vom Hexameter ab, darüber zeigte sich Goethe erstaunt, er hätte gern noch von ihm gelernt. So wurden Voß, aber auch Wieland in den „Xenien“ Goethes und Schillers nicht verspottet wie andere Dichter. Goethe zollte den Gedichten von Voß in der „Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung“ höchstes Lob, er habe durch seine Übersetzungen der deutschen Sprache zu wahren Wohllauten verholfen. Allerdings ärgert sich Goethe, dass Voß nach Heidelberg ging, Goethe hätte ihn gern für seine eigene Tätigkeit vereinnahmt. Versöhnlich äußerte er sich zuletzt während eines Spaziergangs in Jena. Er zeigte Eckermann ein Haus: „Hier hat Voß gewohnt.“ Es ist heute nicht mehr vorhanden.
Wieland löste sich von schwärmerischen religiösen Attitüden, er arbeitete nun an seinem „Agathon“ und an „Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva“. Klopstock äußerte hingegen im Werk „Von der heiligen Poesie“, dass die Poesie vor den Richterstuhl der Religion gestellt werden müsse, was ja in seinem „Messias“ offensichtlich der Fall war. Dies war sein Credo. Von solchen Vorstellungen hatte sich Wieland verabschiedet. Von daher kam Kritik am ironisch-besonnenen, aber auch frivolen Stil Wielands von den Dichtern des „Göttinger Hains“ (Uz, Bürger, Hölty, Voß). Die Hain-Dichter schwärmten für Klopstock. Während einer Geburtstagsfeier für Klopstock verbrannten sie einige Werke Wielands und sein Bildnis. Diesen Vorgang schildert Voß. Hierzu muss man bemerken, dass sowohl Klopstock als auch Wieland zur damaligen Zeit im Zenit ihres Ruhmes standen. Beide waren vom Pietismus beeinflusst, ohne in religiöse Schwärmerei zu geraten. So hatten beide auch Beziehungen zu Halle, insbesonders zu einem dortigen Verleger. Dieser nutzte jede Gelegenheit, um Klopstock und Wieland gegeneinander auszuspielen.
Ein Weiteres trat hinzu. Deutschlands „Literaturpapst“ Johann Christoph Gottsched (1700 – 1766) setzte sich stark für den Versmaß des Alexandriners ein. Dieser sechshebige Jambus sei die moderne Versform. Dagegen opponierten die berühmten Schweizer Literaten Bodmer und Breitinger, aber auch Gleim und die jungen Dichter des „Göttinger Hains“. Sie entdeckten für sich den griechischen antiken Dichter Anakreon als Vorbild. Sie meinten: Zur Poesie gehöre eben die Vervollkommnung, die Perfektionabilität. Daher seien gewisse Muster notwendig. Die Authentizität der Übertragung vom Griechischen ins Deutsche sei somit erstrebenswert. Die wörtliche Wiedergabe wird abgelehnt, der moralisierenden Adaption der Vorzug gegeben.

Der Maler der Romantik – Philipp Otto Runge und Goethe

Vortrag von Prof. Ludolf von Mackensen, Kassel, am 7. Mai 2019

Goethe hatte einst ein Malerei-Preisausschreiben initiiert. Philipp Otto Runge beteiligte sich daran, er wählte als Thema „Achill und Skamandros“. Die Szene schildert den Kampf Achills mit dem Flussgott. Goethe zeigte sich jedoch durchaus nicht zufrieden, und Runge erhielt keinen Preis. Dennoch blieb ihm Goethe gewogen. Obwohl er diese Zeichnung ablehnte, förderte Goethe den jungen Maler, und es entwickelte sich sogar eine Freundschaft.
Runge sah in den Farben besondere Naturkräfte, und in seinen Farbauffassungen traf er sich durchaus mit Goethe, obwohl die romantische Sicht der klassizistischen ja zuwider lief. Runge gilt als Mitbegründer der Romantik, er suchte Spiritualität in der Natur. Dagegen besaß Goethe ein ambivalentes Verhältnis zur romantischen Richtung; einerseits sah er in ihr nichts Natürliches, er sah in ihr nur Bizarres, Fratzenhaftes und Karikaturhaftes. Andererseits unterstützte er Romantiker, zeigte sich durchaus tolerant. Runge entwarf auch große Sprachbilder, zeigte sich als ernst zu nehmender Dichter. Und er erwies sich als Christussucher. „Von Anfang ist sie gekommen“, heißt es in seinem „Gesang an die Sonne“, und weiter heißt es: „Oh, dass ich fliegen könne mit dir und preisgeben meine Seele“.
Runge fragt: Wie kann man jetzt noch etwas Klassisches machen, alte Kunst zurückrufen wollen? Er fühlt sich als Avantgardist. Dies schließt auch Kritik gegen den Klerus ein, ihm stellt er seine eigene religiöse Imagination entgegen. „Wir wollen sehen in jeder Blume den lebendigen Geist, erst so erlangt alles Bedeutung und Sprache.“
Runge stellt zehn Anforderungen an ein Kunstwerk, davon sind drei die wichtigsten: Ahnung von Gott, Kolorit, Farbton. Bei den Farben kommen Goethe und Runge einander nahe. Goethes Farbenlehre und Runges Farbkugel erscheinen im gleichen Jahr: 1810. Es kommt zum freundschaftlichen Gedankenaustausch. Goethes Farbenlehre erweist sich im Übrigen als umfangreicher als „Faust“ und „Wilhelm Meister“. Runge begründet gefällige und logische Farbmetriken. Er wollte seine Farbmodelle in drei Koordinaten räumlich geordnet und im Gesamtzusammenhang arrangiert sehen. Runge orientiert sich – wie Goethe – nicht an Newton und dessen Spektralanalyse. Immer wieder vertrat er auch das Geistige in der Kunst.
Ein Beispiel dafür ist die Zeichnung „Der Morgen“ aus seinem Tages-Zyklus. Lichtgenien tanzen auf Blüten, im untere Teil musizieren Engelchen auf noch nicht geöffneten Blütenzweigen. Die Sonne erscheint. Arabesken umranken das Ganze. Bemerkenswert ist auch die Federzeichnung „Die Heimkehr der Söhne“, auch in diesem Beispiel wird Seelisches in Szene gesetzt.
Zwei Dinge haben nach Runge keine Farbe: das Licht und die Finsternis. Farben sind phänomenologischer Natur, und das menschliche Auge gehört dazu. Im Zusammenwirken entstehen erst die Farben. Licht ohne Luft (Finsternis) ist unsichtbar. Wenn die Luft das Licht streut, entsteht Blau. Wenn das Licht die Luft durchdringt, entsteht Rot. Die durchleuchtete Wolke erzeugt allerdings kein Rot.
Das Diffuse der Atmosphäre bricht gelbes Licht so, dass sie für die Erdbewohner blau erscheint. Das Licht vor dem schwarzen Weltraum wird so weit abgedunkelt, dass die Atmosphäre eben blau erscheint. Dies ist ein Urphänomen, das demzufolge nicht weiter zurückgeführt werden kann.
Die Entstehung des Purpurrot entsteht im sogenannte Goethespektrum durch Überlagerung von Rot und Blau. Dieser Farbton wird auch Magenta genannt und ist gut geeignet in den Druckverfahren. Er geht auf eine Entdeckung Goethes zurück, ist auch in seinen Farbkreis eingeordnet. Zwischen Gelb und Blau entsteht Grün. Goethe versuchte zu zeigen, dass das weiße Licht nicht zusammengesetzt ist und sich Farben aus einer Wechselwirkung von Licht und Finsternis ergeben. In diesem Sinne deutete er die Kantenspektren die er beim Betrachten dunkler Streifen auf hellem Hintergrund und heller Streifen auf dunklem Hintergrund durch ein Prisma sah. Diese Erfahrung gab ihm den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung seiner eigenen Farbenlehre.
Runge ordnet die Farben auf seiner Farbkugel an. Im Schnitt von Nord- zu Südpol zeigt sich dabei eine Grauachse. Wichtig sind ihm die Komplementärfarben; solche, die bei Mischung Weiß oder Schwarz ergeben. Blau-Orange, Rot-Grün und Gelb-Violett sind nach Goethe Komplementärfarben. Runge ordnet sie auf seiner Farbkugel an. Von dort bekommen sie auch ihre Grauwerte, und damit werden auch Brauntöne und „schmutzige Farben“ möglich. Auch sie abbilden zu können, ist Runges Leistung. Er schafft Probedrucke. Schon 1807 kommt ein Hinweis von ihm an Goethe.
Den Grundfarben in der Farbanordnung werden menschliche Eigenschaften zugeordnet: oben Rot als Idee der Liebe, unten Grün als Reales, aber auch schön und unschön. Auch wird in männliche und weibliche Leidenschaft unterteilt. Somit symbolisiert der Farbenkreis ebenso das menschliche Geistes- und Seelenleben. Goethe und Runge kommen hierbei auf ähnliche Erkenntnisse.

Auf Dichters Spuren in der Lausitz

Frühlingsausflug der Goethegesellschaft

Von Erika Seidenbecher

Der Frühlingsausflug der Goethegesellschaften Gera und Erfurt vom 24-28. April war eine Bildungsreise, die nach Kamenz, Bautzen, Cottbus, Frankfurt/Oder, Landsberg an der Warthe (Gorzow Wielkopolski), Neutornow und nach Bad Freienwalde führte. Unser Ziel war es, Wohn- und Wirkungsstätten bekannter Persönlichkeiten kennen zu lernen.
Wir fuhren durch das vielgestaltige Hügelland der Oberlausitz, sahen Teiche, Wälder und sattgrüne Wiesen, blühende Bäume und die unverfälschte Natur der Ober- und der Niederlausitz.
Unser erstes Ziel war die Lessingstadt Kamenz, die sorbische Stadt am Hutberg, in der der bedeutende deutsche Dichter, Gotthold Ephraim Lessing am 22. 01.1729 geboren wurde. Im Museum wurden wir nicht nur mit der Biographie Lessings bekannt gemacht, sondern auch mit dem Verhältnis Lessings zum Theater. Seine Theatermodelle, Entwürfe von Bühnernbildern und Kostümen und Auszüge aus seiner „Hamburgische Dramaturgie“ sind interessante Anschauungsobjekte. Interessant war auch, dass Goethe als Jugendlicher über den um 20 Jahre älteren Dichter lächelte und später tief bereute, dass er keinen Kontakt zu Lessing gesucht hatte. Über Lessings Gedanken der Toleranz, den er im „Nathan der Weise“ zum zentralen Thema erkor, sollten wir gerade heute gründlich nachdenken.
Wir fuhren weiter nach Bautzen. Die „Stadt der Türme“ an der Spree ist die zweitgrößte Stadt der Oberlausitz und politisches und kulturelles Zentrum der Sorben. Die Vorfahren der Sorben, die slawischen Lusitzen, kamen zur Zeit der Völkerwanderung in dieses Gebiet, das nach ihnen benannt ist. Die Lausitz ist eine Region, in der Sorbisch und Deutsch als gleichberechtigte Sprachen nebeneinander existieren.
Die Altstadt von Bautzen erhebt sich auf einem Granitfelsen, umflossen von der Spree. Auf einem Stadtrundgang sahen wir den Kornmarkt, den St. Petri-Dom, das barocke Rathaus, schöne barocke Bürgerhäuser, das Domstift, das Schloss, die Ortenburg, das Sorbische Museum und das Deutsch-Sorbische Volkstheater. Im St.-Petri-Dom sahen wir das Licht-Kreuz als ein zentrales Symbol des christlichen Glaubens. Es steht für den Leidensweg Jesu und schließt gleichzeitig jegliches Leid der Menschheitsgeschichte ein. Andererseits steht das Kreuz für die Hoffnung, dass das Leben stärker ist als der Tod, das Licht ausdauernder als die Dunkelheit.
Überall in Bautzen wurden wir an das vergangene Osterfest erinnert. Wir sahen den österlich geschmückten Brunnen auf dem Markt, wunderschöne bemalte Ostereier (Ätz-, Ritz-, Wachstechnik), hörten etwas über das Osterreiten, das Schöpfen des Osterwassers und das Ostersingen. Der Stadtrundgang war gleichzeitig eine Reise in die Vergangenheit der Stadt, als die Stadt an der großen Handelsstraße Via Regia lag.
Unsere Fahrt ging weiter zur Universitätsstadt Cottbus (sorbisch: Chosebuz), der kreisfreien Stadt in Brandenburg. Cottbus gilt als politisches und kulturelles Zentrum der Sorben in der Niederlausitz. Die Stadt liegt an der mittleren Spree. Im Gebiet von Cottbus siedelten ab dem 7. Jahrhundert die Lusitzen. 1156 wurde die Stadt erstmals urkundlich erwähnt. Die Besitzverhältnisse wechselten recht oft. 1701 gründeten die Hugenotten in Cottbus eine französische Kolonie. Mit dem Pflanzen der ersten Maulbeerbäume im Jahr 1718 hielt die Seidenraupenzucht Einzug. So wurde Cottbus schon während der Gründerzeit zu einer Stadt der Textilindustrie und des Textilmaschinenbaus. Zur Zeit der DDR wurde das Gebiet um Cottbus zu einem wichtigen Kohle- und Energielieferanten. Mit dem Bus fuhren wir durch die große 15 qkm große Stadt. Die Altstadt erkundeten wir zu Fuß.
Auf dem Markt findet zweimal im Jahr der Wochenmarkt statt. An 1304 Marktständen bieten Händler heimische Produkte an. Eine Glocke verkündet Beginn und Ende des Markttages.
Wir besichtigen den Spremberger Turm und die jüdische Synagoge.
Am Nachmittag fuhren wir zum Branitzer Park. Fürst Pückler erbte das Schloss Branitz und gestaltete einen der schönsten Parks Deutschlands. Fürst von Pückler-Muskau war Generalleutnant, Landschaftsarchitekt, Schriftsteller und Weltreisender und seinerzeit ein bekanntes Mitglied der gehobenen Gesellschaft.
Der Innenpark stellt, im Gegensatz zum reich geschmückten Pleasureground (ein an das Haus stoßendes, geschmücktes, eingezäuntes Terrain, Verbindungsglied zwischen dem Park und Gärten) eine „zusammengezogene idealisierte Natur“ dar. Pückler ließ dazu Seen und Kanäle ausheben und Hügel modellieren, sodass aus der ursprünglich flachen Ebene ein natürlich wirkendes Relief entstand. Im Zentrum des Parks liegt das Barockschloss Es zeigt in historisch ausgestalteten restaurierten Räumen die Wohnwelt des Fürsten Pückler.
Wir fuhren an diesem Tag noch nach Frankfurt. Am Abend besuchten wir das Kabarett „Oderhähne“. Die Aufführung von „Mat(ts)chos mögens heiß“, war ein Genuss. Eines haben die Kabarettisten auf jeden Fall mit dem Frankfurter Wappen-Hahn gemeinsam: Den spitzen Schnabel und die scharfen Krallen.
Am Morgen des 26. April unternahmen wir eine Stadtführung durch die Universitätsstadt Frankfurt , die in früheren Jahren der Hanse angehörte. Der Rundgang begann im Gertraudenpark an der Lindenstraße. Dort sind die Grabmale für Ewald von Kleist und Heinrich von Kleist zu sehen.
Ewald Christian von Kleist war ein deutscher Dichter und preußischer Offizier. Er studierte in Fankfurt/Oder und in Königsberg und diente im Regiment des Prinzen Heinrich von Preußen. Als Friedrich II. im Siebenjährigen Krieges gegen die russisch-österreichischen Armee kämpfte und eine Niederlage erlitt, zerschmetterte eine Kartätschenkugel das rechte Bein von Ewald von Kleist. Er starb an seinen Verwundungen und wurde in Frankfurt begraben.
Das wichtigste Denkmal Frankfurts ist jedoch dem bekanntesten Sohn der Stadt, Heinrich von Kleist, gewidmet. Es wurde 1910 vom Berliner Künstler Gottlieb Elster geschaffen.
Mit Frankfurt sind auch die Namen anderer Persönlichkeiten verbunden:
Der Komponist Michael Praetorius war einige Jahre in Frankfurt zu Hause. Er studierte Theologie und Philosophie an der Universität in Frankfurt/Oder, nebenbei war er als Organist an der Universitätskirche tätig. 1590 verließ er, ohne abgeschlossenes Studium, Frankfurt.
Zu nennen sind auch die Brüder Alexander und Wilhelm Humboldt, die einen Teil ihres Studiums in Frankfurt absolvierten.
Auch Carl Emanuel Philipp Bach immatrikulierte sich 1734 an der Brandenburgischen Universität Frankfurt und war Mitglied des dortigen Collegiums musicum. Als Kammercembalist Friedrichs II. unterrichtete er in Berlin den jungen Herzog Carl Eugen von Württemberg Ihm widmete er die sechs Württembergischen Sonaten für Cembalo (Nürnberg 1744), nachdem er zuvor seine sechs Preußischen Sonaten Friedrich II. zugeeignet hatte.
Während der Stadtführung sahen wir in Frankfurt die Oberkirche St. Marien. Das Kirchengebäude, die ehemalige Hauptpfarrkirche der Stadt, gehört zu den größten Gebäuden der norddeutschen Backsteingotik. Eine Besonderheit sind die drei großen Bleiglasfenster. Interessant ist auch das Rathausgebäude mit dem Uhrenturm und der Oderturm. Der Fisch aus dem Jahre 1454, der zum Wahrzeichen der Stadt wurde, hängt über dem südlichen Schmuckgiebel des Rathauses. Er symbolisiert das Recht der „Höhung“ in den Heringsfässern.
Unser Interesse galt aber dem Kleistmuseum. Der am 18. Oktober 1777 in Frankfurt geborene Dichter ist bekannt durch seine Schauspiele: „Das „Käthchen von Heilbronn“, „Der zerbrochene Krug“, „Amphitryon“ und der Novelle „Michael Kohlhaas“. Der „Zerbrochene Krug“ wurde durch Goethes Vermittlung in Weimar uraufgeführt. Der Schauspieler, der Adam spielte, wurde seiner Rolle nicht gerecht. Außerdem war das Drama damals zu lang. Kleist war tief enttäuscht, denn die Aufführung wurde ein Misserfolg und der Dichter meinte, Goethe sei daran schuld. Kleist studierte an der Brandenburgische Universität in Frankfurt, brach aber das Studium ab und trat in die Preußische Armee ein. Der Militärdienst war ihm aber unerträglich geworden. Deshalb quittierte er den Dienst und nahm seine Studien wieder auf. Danach arbeitete er als Volontär im preußischen Wirtschaftsministerium in Berlin. Er reiste viel, suchte einen Halt im Leben, aber seine Ideale stimmten mit der Wirklichkeit nicht überein. Er war ein Mensch, der ständig innerlich unzufrieden war. Seine Zerrissenheit äußert sich auch in seinen Werken. 1811 fuhr er mit Henriette Vogel zum Kleinen Wannsee und erschoss Henriette und sich selbst. Die Abschiedsbriefe der Beiden zeugen davon, dass es ein Freitod war.
Nach der Besichtigung des Museums spielte Dieter Schumann, Geschäftsführer der Erfurter Goethe-Gesellschaft, auf einem Flügel Werke von Beethoven. Am Nachmittag fuhren wir noch zu dem Basar im polnischen Slubice.
Am nächsten Tag, am 27. April, fuhren wir nach der polnischen Stadt Gorzow Wielkopolski an der Warthe, die 70 km von Frankfurt entfernt ist und zu deutsch Landsberg hieß. Während der Busfahrten erfuhren wir auch, dass Ulrich von Hutten einen Teil seines Studiums in Frankfurt absolvierte und hier 1506 sein Bakkalaureat ablegte. Er schrieb das Gedicht „Lob der Mark“, ein Loblied auf die Mark Brandenburg.
Wir erfuhren, dass Christa Wolf 1929 in Landsberg an der Warthe als Tochter der Kaufleute Otto und Herta Ihlenfeld geboren wurde. Sie besuchte dort bis kurz vor Kriegsende die Schule. Nach der Flucht vor den anrückenden Truppen der Roten Arme fand die Familie 1945 vorerst in Mecklenburg eine neue Heimat. Christa Wolf arbeitete als Schreibhilfe beim Bürgermeister des Dorfes Gammelin bei Schwerin. Sie beendete die Oberschule 1949 mit dem Abitur in Bad Frankenhausen. Von 1949 bis 1953 studierte sie Germanistik in Jena und Leipzig. Ihre Diplomarbeit schrieb sie zum Thema: Probleme des Realismus im Werk Hans Falladas. Während der Busfahrt hatte uns Karin Volkmer schon mit dem Leben und Wirken der Dichterin vertraut gemacht. Sie las uns aus dem Roman „Kindheitsmuster“ der Dichterin vor, das autobiographische Züge trägt.
Auch das Leben des Dichters Gottfried Benn ist mit Brandenburg verbunden. Er besuchte das Gymnasium in Frankfurt/Oder und war während des II. Weltkrieges in der Kaserne in Landsberg stationiert. Hier schrieb er u.a. seinen Roman „Roman des Phänotyp“(1943).
Zu nennen ist auch der Theologe und Philosoph Friedrich Schleiermacher (1768-1834), der von 1794-1796 Hilfsprediger in Landsberg/Warthe war. Als Hegelianer war er Vertreter der Dialektik. Aber auch der Religion maß er große Bedeutung zu. Sie gehört nach seiner Ansicht genauso zum Menschen wie das Denken und das moralische Handeln.
Sohn der Stadt Landsberg ist auch der Romanist und Politiker Victor Klemperer, der 1881 hier geboren wurde. Als Überlebender des Holocaust war er ein wichtiger Chronist und Zeitzeuge der Jahre vor und während der Nazizeit. In der DDR war er Vertreter des Kulturbundes und Abgeordneter der Volkskammer. Er starb 1960 in Dresden.
In Landsberg hatten wir eine Führung durch die Stadt, in der zur Zeit die Straßenbahnlinien erneuert werden. Dadurch ist die Stadt gegenwärtig ein einziger Bauplatz. Die Führung begann im Stadtpark. Dort befindet sich auch eine Skulptur, die die Autorin Christa Wolf in sitzender Position zeigt. Der Stadtführer erzählte uns, dass Christa Wolf nach der Wende Landsberg besuchte und der Stadt ihren polnisch geschriebenen Roman„Dziecinstwo“ (Kindheitserinnerung) überreichte.
Die Stadt gehört seit dem Wiener Kongress zu Brandenburg. Die Gemeinde ließ Mitte des 19. Jahrhunderts, nach Plänen des Berliner Architekten Carl Tietz, eine Synagoge im byzantinischen Stil errichten, die in der Kristallnacht von den Nazis niedergebrannt wurde. Heute erinnert nur noch ein Gedenkstein an die Synagoge. Zu den Sehenswürdigkeiten gehören: Der Dom St. Marien aus dem späten 13. Jahrhundert, die Konkordienkirche von 1776, die wegen ihrer Außenfarbe auch Weiße Kirche genannt wird. Nach dem II.Weltkrieg wurde sie umgestaltet und als Teil eines Klosters erweitert. Sehenswert ist auch das Historische Speichergebäude auf der gegenüberliegenden Warthe (heute Museum) und die Uferpromenade an der Warthe. Genannt werden sollte auch der Paucksbrunnen auf dem Marktplatz von 1897.
Am Sonntag, dem 28.04.2019 fuhren wir noch nach Neutornow und Bad Freienwalde. Neutornow gehört zu Bad Freienwalde. Auf dem Kirchhof, südlich der Kirche, die hoch über dem Ort liegt, befindet sich die Grabstätte des Vaters von Theodor Fontane. Nach dem Besuch des Grabes fuhren wir noch nach dem Moorbad Bad Freienwalde und besichtigten die spätgotische Kirche. Danach fuhren wir zurück in die Heimat. Unser Ausflug war verbunden mit Lesungen, musikalischen Darbietungen, Gesang und Frohsinn.
Dank allen, die die Reise so umsichtig und präzise vorbereitet haben. Dank auch unserer Busfahrerin, die nicht nur für eine sichere Fahrt sorgte, sondern auch für unser leibliches Wohl. Es war eine sehr gut organisierte und interessante Bildungsreise, die allen Teilnehmern gut gefallen hat.

Wielands Teutscher Merkur – ein neuer Zeitschriftentyp in Deutschland

Vortrag von Dr. Egon Freitag, Weimar am 2. April 2019

Die Zeitschrift wurde in Weimar herausgegeben. Ihr Vorbild war die französische „Mercure de France“, die literarisch-politische und andere Themen beinhaltete. Wieland lernte auch deren Redakteur, einen Abbe Renald, kennen, eine Begegnung in Weimar.
Im April 1773 erschien das erste Heft. Es war finanziell ein gewagtes Unternehmen. Die Zeitschrift sollte im Sinne der Aufklärung wirken. Sie war folglich kosmopolitisch angelegt. Die Themen waren überaus vielfältig. Sie umfassten auch Naturthemen, so gab es einen Aufsatz über die Entdeckung der Nilquellen. Wieland veröffentlichte auch Reiseberichte Georg Forsters. Er interessierte sich ebenso lebhaft für technische Neuerungen: Dampfmaschinen und die Ballonfahrt der Brüder Montgolfier.
Wieland war stark der politökonomischen Richtung des Merkantilismus verhaftet; alles sollte dem Nutzen der Menschen dienen. Daher schwärmte er weniger für die schönen Barockgärten, umso mehr für „ein wohlbestelltes Feld“. Es sei viel nützlicher für die Menschen. Er war ja zwischen 1797 und 1803 selbst Gutsbesitzer. In Oßmannstedt besaß er 100 Hektar, dazu auch Vieh. Er setzte sich dafür ein, dass die in der Dreifelderwirtschaft übliche Brache nicht leer dalag, sondern mit Futterpflanzen, so Luzerne, Lupine und vor allem Klee bestellt wurde. Er nannte sich selbst einen „poetischen Landjunker“. Er sah es als Pflicht für den Menschen an, den Tieren ein „Wohlleben“ zu gewähren; somit erwies er sich als Vorkämpfer für Tierschutz und Tierwohl.
Mit seiner neuartigen Zeitschrift wollte Wieland die verschiedensten Lesergruppen erreichen. So warb er um Herders Mitarbeit. Der war damals noch Hofprediger in Bückeburg. Herder schrieb einen Aufsatz über den großen Renaissance-Humanisten Ulrich von Hutten. Er lobte ihn in den höchsten Tönen, sah in ihm sogar einen Vorkämpfer der Reformation. Dagegen betrachtete er Erasmus von Rotterdam als Schwächling und Verräter an der protestantischen Sache.
Eine solche Sicht musste natürlich die katholischen Leser verärgern. Die Zeitschrift hatte beispielsweise viele Leser im katholischen Bayern und in Österreich. Wieland griff zu einer List. Er ließ zwar Herders Aufsatz unverändert abdrucken, versah ihn jedoch mit einer beschwichtigenden Fußnote, mit der er sich von Herder distanzierte. Der „Teutsche Merkur“ sollte überparteilich sein. Diese Fußnote verärgerte Herder über alle Maßen.
Nun entwickelte sich der „Merkur“ immer mehr zu einem Spiegelbild der unterschiedlichsten Themen, so fanden Aufsätze über Literatur, Landeskunde, Reisen, Naturkunde, Kunst, Musik, Ökonomie, Recht und Politik Eingang. Sogar über die Monsunwinde in Indien wurde spekuliert. Thema war auch die Erfindung der ersten Rechenmaschine von Leibniz, ergänzt durch Nachrichten von einer verbesserten Rechenmaschine durch einen Pfarrer aus Kornwestheim.
Goethe, Schiller, der Verleger Bertuch und der Dichter Heinse waren Autoren des „Teutschen Merkur“, ebenso die Jacobis, der Erfurter Statthalter Dalberg, die Dichter Lenz, Klinger, Gleim, Bürger, Jung-Stilling, Geheimrat Voigt und der Hofprediger Graef aus Gera. Goethes Gedicht über Hans Sachs poetische Sendung wurde im „Merkur“ veröffentlicht und auch sein Monodrama „Proserpina“.
Es zeigten sich erhebliche Niveauunterschiede, die Goethe einmal veranlassten vom „Sau-Merkur“ zu sprechen.
Als Novum wurde im „Merkur“ der Fortsetzungsroman eingeführt, auf diese Weise erschienen Wielands „Abderiten“. Dies stieß auf Goethes Ablehnung, sinngemäß meinte er: So etwas schnipselweise liest doch kein Mensch.
Wieland hat auch junge Talente gefördert. So schrieb ein gerade erst 16-jähriger Dichter ein 25 Seiten langes Gedicht, das Eingang in den „Merkur“ fand.
Mit Schiller hatte Wieland eine längere Unterredung. Er bot ihm Mitarbeit an. Schiller zeigte sich begeistert, er erhoffte sich dadurch eine Verbesserung seiner finanziellen Lage. In einem Brief an seinen Jugendfreund Huber war von 1000 Talern möglichen Profits die Rede.
Der „Teutsche Merkur“ verfügte zu jener Zeit, um 1787, über 1400 Subskribenten. Nach Abzug aller Kosten blieben Wieland je Ausgabe etwa 200 Reichstaler übrig.
Schiller veröffentlichte zum Beispiel seine „Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“, die mit einer Vorrede Wielands versehen wurde. Auch die Einleitung zum „Abfall der vereinigten Niederlande …“ erschien in Wielands Publikation, ebenso das Gedicht „Die Götter Griechenlands“.
Schiller erwies sich indes als oft sehr nachlässig. Wieland drängte, denn der Abgabetermin drängte. „Ich sitze im Todesschweiß, da machte ich mir aus Angst ein Gedicht.“ Das erschien nun anstelle Schillers ausgebliebener oder verspäteter Lieferung. Wieland mahnte: „Sie scheinen den Teutschen Merkur vergessen zu haben.“
Wieland hat Schiller sehr gefördert, er führte ihn sogar bei Hofe ein. Dennoch erwies sich Schiller als höchst undankbar. Er schrieb später sehr negativ über Wieland, trug er sich doch mit eigenen Zeitschriftenplänen, inbesondere den „Horen“. Hier wurden beispielsweise Goethes „Venezianische Epigramme“ zuerst veröffentlicht. „Die Horen müssen jetzt mit u geschrieben werden“, meinte hingegen Wieland. Schiller, retour, schrieb an den Verleger Cotta: „Wenn die Horen herauskommen, wird der Teutsche Merkur gewiss eingehen.“ Für den „Merkur“ sei jetzt jeder schlechte Aufsatz gerade gut genug. Doch mit seiner Prognose lag Schiller falsch. Seine „Horen“ gingen nach drei Jahrgängen ein, Wielands „Merkur“ hingegen erlebte 37 Jahrgänge, nämlich von 1773 bis 1810. Ab 1790 hieß die Zeitschrift „Der Neue Teutsche Merkur“.
Etwa 1500 Autoren waren beteiligt, ebenso Übersetzer und etwa 100 Künstler, die z. B. Kupferstiche lieferten. Musikalien wurden ebenfalls veröffentlicht. Der Darmstädter Naturforscher und Herausgeber Johann Heinrich Merck, Goethes Freund, steuerte Rezensionen bei. Er schrieb auch einen großen Aufsatz über prähistorische Tierknochen.
In den 90-er Jahren kam Wielands Schwiegersohn, Prof. Reinhold aus Jena, zu Wort, er verbreitete in vielen Aufsätzen im „Merkur“ die Lehre Kants.
Die Leser setzten sich vor allem aus dem gebildeten Bürgertum und dem Reformadel zusammen. Wieland schrieb 18 Aufsätze über die Französische Revolution, nahm pronociert zur Pressefreiheit Stellung; Pressefreiheit, „wodurch sich unser Europa rächen kann“. Man nehme uns diese Freiheit, und Unwissenheit, und Europa werde bald wieder in Dummheit und Despotie ausarten.
Nie habe eine Nationalversammlung der Menschheit soviel Ehre gemacht wie diese, schrieb Wieland über die Franzosen. Hier geschehe der Übergang von der Knechtschaft in Freiheit. So akzeptierte er die Hinrichtung Ludwig XVI. als notwendig, kehrte sich aber von der Schreckensherrschaft der Jakobiner ab. Der „Merkur“ wurde zur wichtigsten Informationsquelle über die revolutionären Ereignisse in Frankreich.
Hierzu ein Beispiel. 1790 gab es einen Bauernaufstand in Sachsen. Ein Seilergeselle namens Benjamin Geißler verteilte Flugblätter, die zur Entmachtung des Adels und zur Absetzung der sächsischen Landesregierung aufriefen. Geißler wurde beim Verteilen der Flugblätter ertappt und verhaftet. Auf die Frage des Richters, woher er denn seine Informationen beziehe, antwortete Geißler: aus dem Teutschen Merkur und aus umlaufenden Gerüchten. Also haben auch Handwerker den „Merkur“ gelesen.
Wieland war aber eher Anhänger der konstitutionellen Monarchie englischer Prägung mit ihrer Gewaltenteilung. Er sah die zunächst rettende Rolle Napoleons für die Ereignisse in Frankreich voraus, setzte auf ihn seine Hoffnungen. Am 6. Oktober 1808 wurde er sogar vom Imperator gemeinsam mit Goethe im Weimarer Stadtschloss empfangen. Napoleon würdigte Wieland mit den Worten: „Wir nennen Sie den Voltaire Deutschlands“. Beide erhielten den Orden der Ehrenlegion.
Der „Merkur“ hatte auch viele Leser im Ausland, in Schottland, beispielsweise, war die Zeitschrift gut bekannt. Sie wurde dort insbesondere von Kommissionären vertrieben. Doch auch in Riga wurde der „Merkur“ gelesen. Seine Auflage ging indes im Laufe der Jahre zurück. Bestand die Auflage anfangs noch aus 2500 Exemplaren, so sank sie später auf 800. Dennoch erschien der „Merkur“ bis 1810.
Veröffentlicht wurden auch Anzeigen von Buchhändlern. Guthsmuths veröffentlichte einen Aufsatz über gymnastische Leibesübungen.
Goethe hat in einer Logenrede Wieland nach dessen Tod 1813 sehr gelobt und so auch dessen Zeitschrift. Dieses Unternehmen sei zwar nicht das erste seiner Art gewesen, aber doch neu und bedeutend, und der Teutsche Merkur könne mehrere Jahre hindurch als Leitfaden in unserer Literaturgeschichte gelten.

Feuermaschinen – Goethe und Marx

Vortrag von Dr. Michael Jeager, Berlin, am 5. März 2019

Goethe schaut im „Faust“ hinsichtlich des Fortschritts vor allem in die Zukunft, Marx schaut in der Analyse der industriellen Revolution zunächst zurück. In der Bewertung dieses gesellschaftlichen Prozesses treffen sie sich. Goethe erlebte in Schlesien (Tarnowitz) selbst die Kraft der Dampfmaschinen. In einem Brief an Bergrat Voigt resümiert er: „In Tarnowitz über Ilmenau getröstet.“ Dort waren die Bergwerke wegen Wassereinbruch „abgesoffen“. In Tarnowitz erlebt Goethe, wie die Dampfmaschine ungeheure Wassermassen zu heben vermag. Daneben existierte aber immer noch der übliche Pferdegöpel.
Das Jahr um 1790 markiert den Beginn der industriellen Revolution. Wenige Jahrzehnte später ist sie in vollem Gange. 1832 fuhr zwischen Liverpool und Manchester die erste Eisenbahn. Träger dieser Entwicklung ist laut Marx die Bourgeoisie, die er im „Kommunistischen Manifest“ entsprechend „feiert“ – gegen alle Beharrungskräfte des Alten. Die überlieferten feudalen Bande müssen zerrissen werden, erst dann entfaltet sich die schöpferische unternehmerische Tatkraft in vollem Umfang.
Zahlreiche Passagen in Goethes Werk verweisen auf diesen Zeitenwechsel. Sie beschreiben die ungeheure Entfremdung des Menschen durch die Modernisierung. Es sei das „größte Unheil“, dass die Zeit in verschlingendem Tempo „im nächsten Augenblick den vorhergehenden verspeist“. Alles geschieht „veloziferisch“ – in sich beschleunigender Zeit.
In „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ quält und ängstigt sich eine Textilarbeiterin vor dem modernen Maschinenwesen. Dies könnte auch heute auf die Digitalisierung und Globalisierung zutreffen. Es wälzt sich heran wie eine Sturmflut, doch der Weg bleibt unausweichlich.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten für den Menschen, wie sie sich zu jener Zeit bieten: entweder sich einzuordnen und sich zu unterwerfen oder fortzuziehen, um ein „gütiges Schicksal jenseits der Meere zu suchen“.
Hierbei entwickelt sich eine unmittelbare Beziehung zu den Handwerkern, ihrem Bestreben, jenen Maschinen zu entkommen, die ihre Arbeit überflüssig machen. Somit erzeugt die industrielle Revolution eine neue Völkerwanderung, diesmal nach Amerika. Statt sich an dem – laut Marx – unausweichlich beginnenden Klassenkampf zu beteiligen, haben jene Auswanderer eine frühere Idylle (siehe Weitling) im Blick, die von Marx auf das heftigste bekämpft wird. Sie wollen sich aus dem proletarischen Milieu in die Mittelklasse erheben, doch die Mittelklasse wird in der Polarisation der Klassen zunehmend zersetzt. Diese Handwerker sind daher reaktionär, denn sie wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen.
Goethe allerdings hegt tiefe Sympathie für die wandernden Handwerker. Dies zeigt sich in seinem Wilhelm-Meister-Motiv der „Pädagogischen Provinz“. Dort erfährt die Jugend eine solide Berufsausbildung in den herkömmlichen Gewerken. Dies erlaubt ihnen, in der neuen Welt Kolonien und Musterzellen eines gesellschaftlichen Ausgleichs zu errichten. So entsteht in einem US-Bundesstaat durch Bemühungen des Württemberger Pietisten Johann Georg Rapp die Stadt New Harmony, in der für kurze Zeit auch der utopische Sozialist Robert Owen lebt und dort eine seiner Home-Kolonien gründet. Goethe erfährt davon aus dem Tagebuch des Herzogs Bernhard, das dieser während seiner Amerika-Reise führte. Diese Lektüre spiegelt sich dann in den „Wanderjahren“ wider. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Marx nur Hohn und Spott für diese „Home Colonies“ übrig hatte. Diese Experimente des utopischen Sozialismus verstießen seiner Ansicht nach gegen das „Alpha und Omega der Geschichte“. Diese Leute versuchten, Klassengegensätze abzustumpfen und zwischen ihnen zu vermitteln.
In Herzog Bernhards Reisetagebuch findet sich auch das größte Projekt des 19. Jahrhundert: der 1825 begonnene Bau des Erie-Kanals. Hieran zeigt sich der untrennbare Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Kolonisation. Die indianische Urbevölkerung wird verdrängt. All dies findet sich wieder in „Faust II“. Auch in der Neuen Welt geschieht dasselbe wie in der Alten. Ein Entrinnen ist unmöglich.
Herzog Bernhard sieht vor sich eine Großbaustelle, auf der vor allem ungelernte Arbeiter schuften, aber auch Frauen und Kinder. Er zeigt sich fasziniert angesichts der entfesselten Produktivität. Marx ist sich mit Goethe einig. Die Bourgeoisie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde. Die Verheißung des „Prometheus-Projektes“ faszinierte Marx, weshalb sich in seinem Werk zahlreiche Andeutungen zu Goethe finden.
Dies betrifft zum Beispiel Marxens Schrift „Die britische Herrschaft in Indien“. Diese Herrschaft wird angetrieben von den niederträchtigsten Interessen britischer Kolonisten. Die Frage bleibt: Kann die Menschheit ihre Bestimmung erfüllen ohne radikale Revolutionierung der sozialen Verhältnisse in Asien? „Wenn nicht, so war England, welche Verbrechen es auch begangen haben mag, doch das unbewusste Werkzeug der Geschichte, indem es in Indien zumindest eine soziale Revolution nach schnödestem Eigennutz hervorgebracht hatte“ (Marx, ebenda). Es hatte die traditionelle Dorfgemeinschaft mit seiner Landwirtschaft und seinem Handwerk zerstört, indem es den einheimischen Markt ruinierte. Viele Opfer sind zu beklagen.
Marx schreibt zum Schluss: „Dann haben wir, so erschütternd das Schauspiel des Zerfalls einer alten Welt für unser persönliches Empfinden auch sein mag, vor der Geschichte das Recht, mit Goethe auszurufen:

Sollte diese Qual uns quälen,
Da sie unsre Lust vermehrt;
Hat nicht Myriaden Seelen
Timurs Herrschaft aufgezehrt?“

Dies nimmt Bezug auf Goethes Gedicht „An Suleika“ im Buch des Timur des „West-Östlichen Divan“. Das Problem, Fortschritt kostet Opfer wird hier poetisch im Symbol des Rosenöls aufgegriffen. Vollständig lautet das Gedicht:
An Suleika

Dir mit Wohlgeruch zu kosen,
Deine Freuden zu erhöhen,
Knospend müssen tausend Rosen
Erst in Gluten untergehn.
Um ein Fläschchen zu besitzen,
Das den Ruch auf ewig hält,
Schlank wie deine Fingerpitzen,
Da bedarf es einer Welt;
Einer Welt von Lebenstrieben,
Dir, in ihrer Fülle Drang,
Ahneten schon Bulbuls Lieben,
Seelerregenden Gesang.
Sollte jene Qual uns quälen,
Da sie unsre Lust vermehrt?
Hat nicht Myriaden Seelen
Timurs Herrschaft aufgezehrt?

So führt der historische Kolonialismus, die technische Revolution, zur Emanzipation der Menschheit. Der Verweis auf den mittelasiatischen Herrscher Timur kommt nicht von ungefähr. Der hatte seine Macht auf 70 000 Totenschädeln errichtet. Es gibt gewissermaße eine übereinstimmende Darstellung der industriellen Revolution mit Timurs Schädelstätte; beides kostet zigtausende Opfer. Der bürgerliche Unternehmer als Hexenmeister lässt alles bislang Feststehende förmlich verdampfen, wofür die Dampfmaschine steht; die Herrschaft des Kapitals ist nicht mehr aufzuhalten. Da sind sich Goethe und Marx einig. Letzterer führt diese Erkenntnis jedoch weiter, sieht in all dem kapitalistischen Tun, dass die Bourgeoisie zugleich ihren Totengräber schafft – das Proletariat. So wird Mephisto auch den Unternehmer Faust zur Auflösung führen; was ihm, dem blind Gewordenen ein weitergebauter Kanal erscheint, ist in Wirklichkeit sein Grab. Fausts Tun glich dem Treiben des Hexenlehrlings in der Ballade, der die herbeibeschworenen unterirdischen Gestalten nicht mehr loszuwerden vermag. Doch schmieden die bourgeoisen Hexenmeister selbst die Waffen, die ihnen den Tod bringen werden. Und sie zeugen auch die Männer, die diese Waffen führen werden – das Proletariat. Denn die Arbeiter herrschen doppelt: über die Maschinen und in der Revolution. So verwendet Marx auch das berühmte, oft missverstandene Motiv: Revolutionen sind Lokomotiven der Geschichte.
Timurs Herrschaft habe Myriaden Seelen aufgezehrt, das Heilsgeschehen werde mit vielen Opfern erkauft, da geht Goethe auf Abstand und weigert sich, die „Schädelstätte“ im Namen des Fortschritts gutzuheißen. Ihm flößt die Französische Revolution einen gewaltigen Schrecken ein. Man könne Menschenopfer beenden wie in der „Iphigenie“, meint Goethe. Er wird letzten Endes ein kategorischer Modernitätsverweigerer. Dem Gewaltverständnis der Jakobiner (siehe Text der Marseillaise) steht er völlig ablehnend gegenüber. Aber er weiß auch: Das Rad der Geschichte lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Ist Goethe ein Reaktionär? Dieses Urteil wäre unzutreffend. Seine Einschätzung verweist auf künftiges Unheil, auf einen nostalgischen Rückblick verzichtend. Für ihn gibt es allerdings auch keinen erlösenden Zugriff auf das Revolutionsgeschehen. Im Ganzen gesehen ist es für ihn ein ungeheurer Anblick von Bächen und Strömen, die mit Naturnotwendigkeit zu Fluten und Überschwemmungen anwachsen. Darunter geht alles Bisherige zugrunde – im Namen der Freiheit. Doch aus diesem Tun erwächst durchaus keine revolutionäre Tugend. Irreversibel reißt der Umsturz alle Beteiligten in den Abgrund und löst zuletzt alle Freiheit auf. Den Lauf der Geschichte bestimmen zu wollen und sich gar an die Spitze zu setzen, wird sich als verwerflich und unheilvoll erweisen. Die Menschen werden dann endlich gezwungen sein, ihre Lebenslage mit nüchternen Augen zu sehen. Bei Goethe verdampft das gewonnene übersteigerte Selbstbewusstsein in einer großen Ernüchterung. Das kritische Bewusstsein hat zuvor gefehlt. Jetzt ist der Zauber der Utopie verloren gegangen. Die Geschichte erweist sich in Goethes Augen als irrational, als eine wahre Rumpelkammer. Dagegen heißt es an naher Stelle im „Faust“, das wahre Streben des Menschen bejahend:

Dass ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau alle Wirkenskraft und Samen,
Und tu nicht mehr in Worten kramen.

Bei Goethe ist der emanzipierte Mensch der angstfreie Mensch.

Der Philosoph, dem ich zumeist vertraue – Über Goethes Verhältnis zu Spinoza unter besonderer Berücksichtigung des Faust

 

Vortrag von Philipp Restetzki, Görlitz, am 20. Februar 2019

„Verflucht sei er am Tage und verflucht sei er bei Nacht; verflucht sei er, wenn er sich niederlegt, und verflucht sei er, wenn er aufsteht; verflucht sei er, wenn er ausgeht, und verflucht sei er, wenn er zurückkehrt. Gott wird ihm nicht verzeihen wollen. Der Zorn und der Grimm Gottes wird gegen diesen Menschen entbrennen und über ihn alle die Flüche bringen, welche im Buche des Gesetzes geschrieben sind. Und Gott wird seinen Namen unter dem Himmel vernichten, und Gott wird ihn zum Bösen ausscheiden von allen Stämmen Israels mit allen Flüchen des Himmels, die im Buche des Gesetzes geschrieben sind … Wir verordnen, dass niemand mit ihm mündlich oder schriftlich verkehre, niemand ihm eine Gunst erweise, niemand unter einem Dache oder innerhalb vier Ellen bei ihm verweile, niemand eine von ihm verfasste oder geschriebene Schrift lese.“
Mit diesem großen Bannfluch wurde der 24 Jahre alte Baruch Spinoza 1656 aus seiner jüdischen Gemeinde in Amsterdam für immer ausgestoßen. Grund dafür war sein schon in jungen Jahren an Descartes ausgebildeter kühler, konsequenter Rationalismus und die daraus erwachsende Religionskritik, die einer streng orthodoxen jüdischen Gemeinde nicht gefallen konnte. Die religiösen Schriften, so Spinoza, seien nicht das Wort Gottes, sondern nur eine Interpretation durch den Menschen.
Als Goethe spätestens 1773 vollends zu Spinoza fand, war er im gleichen Alter wie jener zur Zeit des großen Bannfluchs. Wahrscheinlich hat Goethe den Anstoß zur Lektüre Spinozas von Herder empfangen. Es war vor allem der beruhigende Einfluss, den die Lektüre Spinozas in dieser Zeit auf Goethes leidenschaftliches Wesen hatte. Die Beruhigung der Leidenschaften ist ein zentrales Thema der spinozistischen Affektenlehre. Sie unterscheidet zwischen Affekten, die der Mensch passiv erleidet wie Hass und Zorn, und solchen Affekten, die ihn zur aktiven Gestaltung anregen. Der Mensch muss durch Verstandeskraft die Ursachen dieser Affekte offenlegen, um gerade die negativen, passiven Leidenschaften ausschalten zu können. Erst durch diese Beruhigung der Leidenschaften und die Konzentration auf die positiven, aktiven Affekte vermag es der Mensch, wirkliche Erkenntnis der Welt und mithin von Gott zu erlangen.
Dabei verschiebt sich im Weiteren sein Fokus: vom Gottesbegriff und der Affektenlehre auf die Erkenntnistheorie Spinozas. Sie ist das Grundmotiv des späten Goethe, der sie zur Maxime seiner naturwissenschaftlichen Studien wie auch seiner Poetik macht. Durch die Erkenntnis des Einzeldings ist es möglich, dessen Wesen und damit Gott zu erkennen. Dies ist es, das sich auf bedeutende Art im „Faust“ niederschlägt und eine Erklärung für das Ende des zweiten Teils, vor allem der Erlösung Fausts, bietet.
Denn die Frage „Ist Fausts Erlösung gerechtfertigt?“ ist von jeher eine der heftigsten Streitpunkte der Faust-Forschung geblieben. Doch es gibt neue Argumente zur Rechtfertigung der Erlösung, und zwar aufgrund bisher übersehener Verbindungslinien zu Spinozas Philosophie.
Die Untersuchung konzentriert sich auf die beiden für Fausts Erlösung ausschlaggebenden Szenen: den Prolog im Himmel und die Bergschluchten-Szene, die miteinander durch die für Goethes Faust zentralen Konzepte des menschlichen Strebens und der göttlichen Liebe verbunden sind.
Im Prolog ist es kein Geringerer als der Herr selbst, der durch die Feststellung „Es irrt der Mensch, so lang er strebt“ den Begriff des menschlichen Strebens einführt, während in den Bergschluchten die in der höheren Sphäre schwebenden Engel mit ähnlichem Nachdruck verkünden: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“.
In Spinozas Hauptwerk, der „Ethik“, nehmen menschliches Streben und göttliche Liebe als philosophische Begriffe ebenfalls eine zentrale Stellung ein. Sie fungieren als Kernbegriffe der Erkenntnistheorie und Affektenlehre. Gleichsam als Motiv für Mephisto führt der Herr im Prolog im Himmel das stetige Streben als denjenigen Punkt in der Natur des Menschen an, an dem Mephisto mit seiner Verführungskunst ansetzen kann:
So lang er auf der Erde lebt
so lang sei‘s dir nicht verboten.
Es irrt der Mensch, so lang er strebt.
Es gibt mehrere Verweise auf das „Streben“: „Ich fasse dich“, das Streben wird gemindert – sein Streben wird durch die Nähe des tödlichen Gifts in der Phiole gehemmt; „Zu jenen Sphären wag‘ ich nicht zu streben“ – Faust sieht sein Streben durch fehlenden Gottesglauben eingeschränkt;
„Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben, von deinesgleichen je gefasst?“ – Fausts Zweifel an der Macht Mephistos; „Doch immer weiter strebt mein Sinn“ – Bezug auf Helena als Inbegriff des höchsten Schönen.
Durch wiederholtes Auftauchen an strukturellen Schlüsselstellen wird das Streben nicht nur zum zentralen Motiv der Wette zwischen Gott und Mephisto, sondern in seiner Bedeutung für den Paktschluss auch zum zentralen Motiv der Handlung. Letztlich muss Mephisto daher die Wette verlieren.
Fausts Wissbegier, die wichtigsten seiner zeitgenössischen Wissenschaften umfassend, zielt auf das, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ und scheitert daran. Gerade hierauf beruht laut Spinoza der Grund des Irrens. Wird nämlich die für den Menschen begrenzte Anzahl von so genannten „Vorstellungsbildern“ überschritten, so verwirren sich diese Bilder und verleiten den Geist zu vereinfachenden Kategorisierungen. Deshalb ist es Faust zunehmend leid, „in Worten zu kramen“. Dennoch gehören diese Verwirrungen zum Menschen. Die Erkenntnis des Irrtums als das Verfolgen inadäquater Ideen, als ein Leiden an und Erleiden von Leidenschaften, führt den Menschen zurück zum Streben. Darin gründet der Ausspruch des Herrn, wonach sich „ein guter Mensch in seinem dunklen Drange … sich des rechten Weges wohl bewusst“ ist. Dabei geht es um Selbsterhaltung. Es handelt sich hier um den gleichen Begriff des Strebens nach Selbsterhaltung und dessen Bedrohung wie Spinoza in seinen Lehrsätzen. So kann der Herr am Ende des Prologs konstatieren:

Der Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen.
Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu.
Der reizt und wirkt und muss als Teufel schaffen.

Im Licht von Spinozas Lehrsätzen verdeutlichen diese Verse, dass Mephisto selbst Teil der Rettung ist, indem er als Grund des Irrens und damit als Antrieb für das Streben fungiert. Weil in der menschlichen Natur die Möglichkeit der Rückkehr vom Irrtum stets gegeben ist, muss Mephisto die Wette mit Gott verlieren. Darauf beruht die Allmacht des Herrn gegenüber seinem diabolischen Diener.
Der Schluss des Prolog im Himmel verweist in aller Deutlichkeit auf die Rettung Fausts am Ende der Tragödie.

Doch ihr, die echten Göttersöhne
erfreut euch der lebendig reichen Schöne!
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfass euch mit der Liebe holden Schranken,
und was in schwankender Erscheinung schwebt,
befestiget mit dauernden Gedanken!

An dieser Stelle ist die Bergschluchten-Szene in ihren wichtigsten Aspekten schon vorweggenommen. Alles befindet sich in der Schwebe und die von göttlicher Liebe umfassten „Göttersöhne“ tragen das Erscheinende durch „dauernde Gedanken“ befestigt in die Ewigkeit des Jenseits. Ähnliches widerfährt „Faustens Unsterbliche(m)“ in den Bergschluchten.
Dort greifen die Engel die Worte des Herrn wieder auf: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“.
Dabei dienen Goethe die christlichen Figuren und Symbole der Bergschluchten laut eigener Aussage eben bloß zur „wohltätig beschränkenden Form und Festigkeit“. Eine rein christliche Interpretation ist demzufolge zu verwerfen.
Die im Gespräch mit Eckermann hervorgehobene Bedeutung der „ewigen Liebe“ in Verbindung mit der „höheren und reineren Tätigkeit bis ans Ende“, die so charakteristisch ist für die „Bergschluchten“, führt direkt zur Erkenntnistheorie Spinozas und seiner Ethik. Die Verbindung, die in dieser Szene zwischen dem Leitmotiv der „ewigen Liebe“ und dem Anschauen gezogen wird, ist so offensichtlich, dass sie als direkter Verweis auf die Ethik gelten muss.
Drei Erkenntnisgattungen beschreibt Spinoza. Die erste Gattung, Vorstellung bzw. Meinung genannt, basiert auf der unbestimmten Erfahrung von Einzeldingen und Zeichen. Die zweite Gattung, die rationale Erkenntnis oder Vernunft, erlaubt dem Menschen „Gemeinbegriffe und adäquate Ideen der Eigenschaften von Dingen“ zu bilden. Doch nur die intuitive Erkenntnis vermag als dritte Gattung die Essenz der Dinge einzusehen.
Die „Bergschluchten“ beginnen mit einem Diskurs dreier Eremiten, Patres genannt: Pater Ecstaticus, Pater Profundus, Pater Seraphicus. Ecstaticus schwebt auf der Ebene der Affekte, das Äußerliche passiv erleidend, er bleibt völlig der sinnlich-empirischen Erkenntnis verhaftet. Er ist eine Allegorie für Verwirrung und Irrtum.

Pfeile durchdringet mich,
Lanzen bezwinget mich,
Keulen zerschmettert mich,
Blitze durchwettert mich.

Dagegen befindet sich Pater Profundus bereits auf einer anderen, höheren Ebene der Erkenntnis. Indem er die Wechselwirkungen in der Natur reflektierend/denkend durchschaut, erlangt er ein adäquates Verständnis der ihn umgebenden Dinge.
Er begreift die Umgebung nicht mehr als Gefahr und erleidet nichts von ihr. Profundus analysiert vernünftig die Geschehnisse um sich herum. Dass er am Ende mit den Worten „Oh Gott, … erleuchte mein bedürftig Herz“ nach höherer Erkenntnis strebt, die er nur bei Gott finden kann, basiert auf Spinoza. „Das Streben oder die Begierde, Dinge in der dritten Erkenntnisgattung zu erkennen, kann nicht der ersten, wohl aber der zweiten Erkenntnisgattung entspringen.“ Nur Pater Profundus kann diesen Wunsch ausdrücken, nicht Estaticus. Diese dritte Stufe personifiziert Pater Seraphicus. Er erkennt die seligen Knaben, die sich hilfesuchend an ihn wenden, da sie „halb erschlossenen Geistes und Sinnes“ ohne weltliche Erfahrung nichts erkennen können. Er nimmt die Knaben in sich auf und zeigt ihnen durch seine Augen die Welt.

„Das sind Bäume, das sind Felsen,
Wasserstrom, der abgestürzt
Und mit ungeheurem Wälzen
Sich den weiten Weg verkürzt.“

Die Knaben jedoch können der Beschreibung des Paters nicht folgen und gleichen dem Pater Ecstaticus, passiv durch die Umgebung von „Schreck und Grauen“ geschüttelt. Also lässt er die Knaben die Entwicklung der Erkenntnisstufen durchleben.
„Steigt hinauf zu höhrem Kreise
Wachset immer unvermerkt,
Wie, nach ewig reiner Weise,
Gottes Gegenwart verstärkt.“
Die Knaben, in ihren letzten Versen schon „um die höchsten Gipfel kreisend“, ahnen nun mit Hilfe des Paters Seraphicus die dritte Erkenntnisstufe, die höchste Nähe zu Gott.
„Göttlich belehret
Dürft ihr vertrauen,
Den ihr verehret
Werdet ihr schauen.“
In direktem Bezug zu den Versen des Prologs „Es irrt der Mensch, so lang er strebt“ steht die nächste Strophe der „Bergschluchten-Szene“:
„Gerettet ist das edle Glied
Der Geisterwelt vom Bösen,
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen.
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben Teil genommen,
Begegnet ihm die selige Schar
Mit herzlichem Willkommen.“

Das ist die einzige Stelle, die, wenn auch nur in der Regieanweisung, auf Faust Bezug nimmt. Die Engel tragen „Faustens Unsterbliches“ bereits in jene „höhere Atmosphäre“, höher noch, als die das Göttliche nur ahnenden seligen Knaben stehen. Dieses Höhenspiel der Bergschluchten, ausgedrückt, durch die Positionen der Patres und den Aufstieg der seligen Knaben, symbolisiert damit die verschiedenen Erkenntnisgattungen. Je höher die Position, desto umfangreicher die Erkenntnis und desto näher ist Gott. Wer also nach Erkenntnisfortschritt strebt, um in der dritten Gattung Gott, die Essenz der Dinge, zu erfassen oder, wie Faust es ausdrückt, zu erkennen „was die Welt im Innersten zusammenhält“, der kann, da er Gott am Nächsten kommt, schließlich gerettet werden. Doch in diesem erkenntnistheoretischen Prozess nimmt die „Liebe gar“, die „von oben“ teilgenommen hat, eine besondere Position ein. Den drei Patres ist gemein, dass sie alle auf die Liebe verweisen, die durch Attribute wie „heilig“ und „allmächtig“ als göttlich markiert wird. Höchste Bedeutung hat aber an dieser Stelle das Attribut „ewig“. Eben jene „ewige Liebe“ ist es, die in Spinozas Philosophie am Ende aller Erkenntnis steht und die er als amor dei intellectualis bezeichnet. Diese geistige Gottesliebe ist als höchste Zufriedenheit des Geistes zu verstehen; sie ist allein der dritten Erkenntnisgattung vorbehalten. Sie ist es, die in den höchsten Regionen der Bergschluchten, dem Bereich der höchsten Erkenntnis, hinzukommt. Ewig ist sie, weil laut Spinoza in der dritten Gattung die Dinge sub specie aeternitatis, unter dem Aspekt der Ewigkeit, betrachtet werden. Damit ist auch die Liebe, die in der Erkenntnis Gottes empfunden wird, ewig.
Spinoza meint, dass nach dem Tod des Körpers der Geist nicht völlig zerstört wird, sondern dass von ihm etwas übrig bleibt, das ebenso ewig ist. Darunter ist durchaus „Faustens Unsterbliches“ zu begreifen, das ausdrücklich nicht Seele genannt wird. Dieser dem Geist angehörige Aspekt von Ewigkeit ermöglicht erst die Erkenntnis der dritten Gattung sub specie aeternitatis.
Goethes Verständnis von Streben und Liebe in diesen beiden Szenen entspricht demnach Spinozas Denken. Die Verbindung des Strebens mit Aspekten der Anschauung und Erkenntnis und das Gipfeln in ewiger göttlicher Liebe kennzeichnen die zitierten Verse als analoge Übernahmen aus Spinozas Ethik. Daraus erwächst die erkenntnistheoretische Dimension der „Bergschluchten“, die in die Erlösung Faustens mündet. Doktor Marianus schließt mit den Versen:

„Blicket auf zum Retterblick
Alle reuig Zarten,
Euch zu seligem Geschick
Dankend umzuarten.
Werde jeder bessre Sinn
Dir zum Dienst erbötig,
Jungfrau, Mutter, Königin,
Göttin, bleibe gnädig.“
Der Blick nach oben, zur dritten Erkenntnisgattung, erlaubt den reuigen Sündern, sich „umzuarten“, d. h., wieder auf den Pfad der Tugend zurückzukehren. Nur so kann die Tragödie für Faust auf positive Weise enden, nämlich mit der Erfüllung seines Wunsches nach höherer Erkenntnis und der davon abhängigen, ja dadurch erwirkten Erlösung, durch die Nähe zu Gott.

Das Gilgamesch-Epos -ältestes Zeugnis der Weltliteratur

Vortrag von Prof. Jabagh Khablou, Damaskus, 4. Dezember 2018

Wenn wir das Epos von Gilgamesch kennenlernen wollen, kehren wir zu einer sehr alten Zeit, fast 5000 Jahre, zurück, als die Stadt Uruk entstand, in der Gilgamesch, Held des Epos, König war. Uruk ist eine Stadt im Süden Iraks, östlich des Euphrat, sie heißt heute Alurkaa. Sie ist eine der ersten Städte der Welt. Hier erschien ungefähr 3200 v. Chr. die erste Schrift der Welt.

Ein König Gilgamesch ist nachgewiesen. Er ließ eine Stadtmauer errichten und führte Krieg gegen die Nachbarstadt Kish. Die erste Entdeckung des Epos stammt aus dem Jahr 1872, als der britische Sprachwissenschaftler George Smith einen Teil der Geschichte der Flut fand, die auf einer der in der antiken assyrischen Hauptstadt Ninive gefundenen Tafeln stand und veröffentlichte es im Jahr darauf. Seitdem wurden in verschiedenen Standorten (Städte im Irak, Ugarit an der syrischen Küste, Magdo in Palästina oder Bugazkoy in der Türkei) Teile oder Passagen der Saga gefunden – auf Tonplatten oder Teilen von Tonplatten.

Aber der erste Mann, der versucht hat, alles, was über das Epos bekannt war, zu sammeln und zu veröffentlichen, war der deutsche Wissenschaftler Peter Jensen in seinem 1900 erschienenen Buch mit dem Titel „Assyrisch-babylonische Mythen und Epen“.

Die frühesten Texte, die uns zu diesem Epos zur Verfügung stehen, sind in der akkadischen Sprache im babylonischen Dialekt verfasst und kehren zum Beginn des zweiten Jahrtausends v. Chr. zurück. Aber der vollständigste Text des Epos wurde in der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal entdeckt und stammt aus dem 7. Jahrhundert v. Chr.

Essenz des Epos: die ständige menschliche Frage nach der Ewigkeit. Gilgamesch erkannte, dass sein Schicksal der Untergang sei. Er wollte danach suchen, was ihn unsterblich machen könnte.

Die Saga ist in zwölf Tafeln unterteilt, von denen jede einen Teil des Lebenslaufs dieses nach der Ewigkeit Strebenden darstellt.

Die erste Tafel:

Sie schildert den Charakter des Königs. Er wird als stark und mutig geschildert, aber auch als grausam. Wegen Zwangsarbeit und Kriegen mit den Nachbarn wurde er nicht geliebt. Er war zu zwei Dritteln göttlich, zu einem Drittel menschlich.

„Der, der die Tiefe sah, die Grundfeste des Landes,

der das Verborgene kannte, der, dem alles bewusst

vertraut sind ihm die Göttersitze allesamt.

Allumfassende Weisheit erwarb er in jeglichen Dingen.

Er baute die Mauer von Uruk, der Hürden (umhegten),

die des hochheil’gen Eanna, des reinen Schatzhauses.

Steig doch hinauf, auf der Mauer von Uruk wandle umher!

Die Fundamente beschaue, und das Ziegelwerk prüfe:

ob ihr Ziegelwerk nicht aus Backstein (besteht)

und ob die Sieben Weisen nicht (selbst) ihre Grundmauern legten!

Alle Könige weit überragend, hochberühmt und von schönster Gestalt.

Stier Lugalbandas, Gilgamesch, vollkommen an Kraft,

von der erhabenen Kuh, Wildkuh Nansunna, gesäugt!

Wer ist der, der mit ihm sich an Königswürde messen könnte

und zu sagen vermag wie Gilgamesch: Ja, ich bin der König! …?

Nun wird Enkidu geschaffen, ein Konkurrent. Denn die Götter hatten beschlossen, auf die häufigen Klagen der Menschen von Uruk über die Grausamkeit und Ungerechtigkeit Gilgameschs einzugehen. Sie beauftragten die Göttin Aruru, und so schuf sie Enkidu aus Lehm, bedeckte seinen Körper mit Haaren und ließ ihn mit ihren Tieren im Wald leben. Er jagt, schläft im Freien und flieht die Menschen.

Gilgamesch erfährt über einen Jäger von Enkidu. Der schickt ihm die Frau Schamkha, um ihn zu verführen und nach Uruk zu bringen. Sie sollte, wenn die Herde an der Wasserstelle einträfe, ihre Kleider von sich streifen und ihre Reize zeigen. Er würde sich ihr nähern, die Herde würde ihm fremd werden, mit der er bisher umher streifte.

Daraufhin erlebt Gilgamesch einen schlimmen Traum, in dem sich ihm ein starker Widersacher zeigt. Seine Mutter Nansun tröstete ihn.

„Zu dir wird kommen ein starker Genosse,

einer, der errettet den Freund.

Im Lande ist er der Stärkste, Kräfte hat er

wie ein Brocken des Anum sind stark seine Kräfte.

Du liebtest ihn wie eine Gattin und liebkosest ihn.

Aus schlimmer Schlacht wird er dich immer wieder erretten.

Die zweite Tafel:

Verführerin Schamkha führt Enkidu nach Uruk zu den Tempeln, er mischt sich unter die Arbeiter. Er gerät mit Gilgamesch in Streit.

„Als Gilgamesch in die Knie sank, am Boden den Fuß.

Da verrauchte sein Zorn, er wandte seine Brust.

Enkidu sprach zu ihm.

Sie küssten einander und schlossen Freundschaft.“

Enklidu soll nun Gilgamesch in den Zedernwald begleiten, um das Dschungelmonster Humbaba zu töten. Aber Enkidu weiß, wie schwierig das ist und versucht, Gilgamesch von seinem Plan abzubringen. Doch der beharrt auf seiner Meinung und bittet die Schmiede, für ihn und Enkidu schwere Waffen herzustellen.

„Im Wald wohnt der reckenhafte Humbaba.

Ich und du, wir wollen ihn töten.

Aus dem Lande jagen jegliches Böse!

Enkidu tat den Mund auf und sprach zu Gilgamesch:

Humbaba – sein Brüllen ist Sintflut.

Ja, Feuer sein Rachen, sein Hauch der Tod!“

Die dritte Tafel:

Die Ältsten geben Gilgamesch und Enkidu Ratschläge.

„Die Ältesten segneten ihn: Nicht sollst du, Gilgamesch, traun

deiner Kraft!

Deine Augen seien erleuchtet, behüte dich selbst!

Es gehe Enkidu vor dir her, er kennt des Waldes Zugänge.

Enkidu möge den Freund behüten, den Gefährten bewahren,

bis zu den Gattinnen bringe er seinen Leib!

In unserer Versammlung übergeben wir dir (‚Enkidu) den König,

Du wirst heimführend den König uns übergeben.“

Danach suchen Enkidu und Gilgamesch dessen Mutter Ninsun auf, damit sie beide vor dem Waffengang segnet. Die Mutter hört es voller Trauer. Sie bat Gott Schamsch, beide zu beschützen.

„Ninsun vernahm bekümmert die Rede ihres Sohnes:

Ninsun tritt in ihr Gemach ein.

Sie legt ein Gewand an, wie es ziemt ihrem Leib,

ein Geschmeide auch, wie es ziemt ihrer Brust.

Sie hat angetan Gürtel und Königsmütze,

sprengt Wasser aus Schalen auf Erde und Staub.

Erstieg das Dach, brachte Weihrauch dar vor Schamsch.

Sie vollzog das Opfer, vor Schamsch hob sie die Arme:

Am Tage, da Gilgamesch, Enkidu und Humbaba, alle zugleich,

aufeinander stoßen –

da, Schamsch, wecke wider ihn, den Humbaba, die gewaltigen Ungewitter!

Wider ihn mögen dreizehn Winde sich erheben,

so dass sich Humbabas Gesichtskreis verfinstere

und die Waffen des Gilgamesch den Humbaba treffen.“

Die vierte Tafel:

Gilgamesch und Enkdiu erleben bewusst mehrere Träume, die ihnen den Erfolg sichern sollen.

Die fünfte Tafel

Beide Helden erreichen den Zedernwald. Unter den riesigen Bäumen ermutigen sie sich gegenseitig zu ihrem Vorhaben. Humbaba fragt drohend Enkidu:

„Komm her, Enkidu, du Brut eines Fisches,

der ihren Vater nicht kennt,

die nicht die Milch ihrer Mutter trank.

Warum nur ließest du in böser Absicht

den Gilgamesch bis vor mich gelangen?

(Warum nur) tratest du wie ein feindlich

gesinnter Gegner vor mich?

Ich will sein Fleisch den Vögeln der Waldung,

den kreischenden Adlern und Geiern

zum Fraße vorwerfen!“

Hier greift der Gott Schamsch ein. Er sendet, wie Ninsun versprochen, die stürmischen Winde, die die Bewegung des Tieres lähmen und seine Waffen zerstören. Nun bittet Humbaba den Gilgamesch, ihn nicht zu töten und ihn als Wächter des Waldes zu lassen. Er verspricht ihm auch, wertvolles Zedernholz zu bringen, um den Palast in Uruk luxuriös auszustatten. Humbaba hofft auch, dass Enkidu zwischen ihm und Gilgamesch vermittelt.

„Gilgamesch schone mein Leben!

Du seist der Herr, wo auch immer ich bin.

Um deinetwillen will ich im Zedernwald wohnen.

Bäume, so viele, als du mir befiehlst,

will ich für dich bewachen!

Ich will für dich bewachen Myrrhe, Zeder und Zypresse,

die hohen, hochgewachsenen Bume, den Stolz deines Palastes!

Jetzt aber, Enkidu, liegt es bei dir, mich freizugeben.

Sprich doch mit Gilgamesch, dass er mein Leben schone!“

Aber stattdessen ermutigt Enkidu seinen Freund: „Bereite ihm ein Ende, erschlage ihn, vernichte seinen Willen.“

So tötet Gilgamesch den Humbaba, schneidet die wertvollen Zedern und bringt sie in seine Stadt Uruk.

Die sechste Tafel:

Wir begegnen der Göttin Ischtar, die Gilgamesch Ehe, Geld, Macht und Silber anbietet.

„Komm doch her, Gilgamesch, du, sei Bräutigam!

Du, sei mein Mann, und ich will deine Gattin sein!

Einen Wagen will ich dir anspannen lassen

aus Lapislazuli und aus Gold.

Wenn du unser Haus betrittst,

sollen Türschwelle und Thronsitz dir die Füße küssen!

Auf den Knien sollen dir zu Füßen,

liegen Könige, Mächtige und Fürsten!

Allen Ertrag von Berg und Land

sollen als Tribut sie dir entgegenstrecken.

Aber Gilgamesch weigert sich und erinnert sie daran, was sie mit ihren Ehemännern und früheren Geliebten gemacht hat. Sie habe deren Leben in Hölle verwandelt. Die wütende Ischtar eilt nun zu ihrem Vater, Gott Ano. Sie bittet ihn um den Stier des Himmels, um Gilgamesch und sein Volk bestrafen zu können. Sie droht ihrem Vater, anderenfalls die Türen der Unterwelt zu öffnen und die toten und bösen Geister freizusetzen. Ano kommt ihrem Begehr nun nach. Allerdings bittet er seine Tochter, zunächst die Menschen aufzufordern, genügend Futtergetreide und Heu für die Tiere zu lagern, denn mit dem Abstieg des Stieres vom Himmel würde eine große Dürre eintreten. Schon als der Stier vom Himmel fällt, vertrocknen die Felder, die Pflanzen verbrennen, und viele Menschen verlieren ihr Leben.

Nun töten Enkidu und Gilgamesch den Stier, reißen ihm das Herz aus dem Leibe und verehren es dem Gott Schamsch. Dies vermehrt den Zorn Ischtars, die nun die Götter gegen die beiden aufzuwiegeln beginnt.

Die siebte Tafel:

In einem Traum Enkidus, in dem mehrere Götter auftreten, beschließen sie, dass einer der beiden getötet werden müsse, weil sie sowohl Humbaba als auch den Stier des Himmels getötet haben. Enkidu soll sterben. Dies erzählt er Gilgamesch.

„Vernimm, welch einen Traum heute Nacht ich gesehen:

Anu, Enlil, Ea und der himmlische Schamsch

hielten Rat; zu Enlil sprach Anu:

Dafür, dass sie getötet den Himmelsstier,

soll von ihnen sterben, der,

der den Bergen die Zedern entrissen.

Enlin aber sprach: Enkidu soll sterben, Gilgamesch aber nicht.

Nun widersprach der himmlische Schamsch dem Helden Enlil:

Haben sie nicht auf mein Geheiß den Himmelsstier und Humbaba

getötet? Und nun soll Enkidu unschuldig sterben?

Enkidu lag krank darnieder vor Gilgamesch.“

Nun erinnert sich Enkidu an seine vergangenen Tage und beschimpft den Jäger, der ihn entdeckt und Gilgamesch davon erzählt hatte. Er beschimpft auch die Verführerin, die ihn nach Uruk gebracht hatte, um Gilgamesch zu treffen. Aber nachdem ihn Gott Schamsch daran erinnert, wie ihm Schamkha Menschliches beigebracht und ihm die Freundschaft zu Gilgamesch ermöglicht hat, lenkt Enkidu ein und segnet sie.

Auch einen zweiten Traum erzählt Enkidu.

„Welch einen Traum, mein Freund, sah ich doch im Verlauf dieser Nacht!

Es riefen die Himmel, die Erde gab Antwort

und zwischen ihnen, da stand ich selbst.

Da war ein Mann, ganz finsteren Gesichtes.

Er packte mich am Schopfe, mich überwältigte er.

Ich schlug ihn, doch wie ein Springseil schwang er zurück.

Da schlug er mich und tauchte mich unter wie ein Floß.

Er hält mich gepackt und führt mich dabei zum Hause des Dunklen.“

Es scheint, als hätte sich Enkidu seinem Schicksal ergeben. Sein Zustand verschlechtert sich zusehends. Am zwölften Tag erzählt er Gilgamesch, dass die Götter ihn demütigen, weil sie ihn in seinem Bett und nicht auf dem Schlachtfeld sterben lassen würden.

Die achte Tafel:

Enkidu stirbt. Trauer und Begräbnis. Alle Menschen und Tiere sollen trauern. Gilgamesch erinnert sich an ihre gemeinsame Zeit: ihren Streit auf dem Uruk-Platz, ihren Sieg über Humbaba und den Stier. Nun fordert er die Schmiede auf, eine riesige Enkidu-Statue zu schaffen. Wertvolle Gegenstände sollen Enkidus Grab beigegeben werden, um ihn auf der Reise in die Unterwelt zu begleiten. Er spricht nun seinen toten Freund an.

„Ich werde dich betten auf einem großen Lager.

Auf einem Lager der Ehre werde ich dich betten,

ich werde dich setzen auf einen Sessel der Ruhe,

einen Sessesl (mir) zur Rechten.

Der Erdbodens Fürsten werden dir die Füße küssen.

Ich werde um deinetwillen die Leute von Uruk weinen lassen.

Doch ich selbst werde, wenn du nicht mehr bist,

an meinem Leibe verfilzen lassen das Haar.“

Das Ende der achten Tafel ist nicht vorhanden. Vermutlich beinhaltet es die Bestattungszeremonien.

Die neunte Tafel:

Der tief trauerende Gilgamesch wandert durch das Land und denkt darüber nach, dass der Tod – wie Enkidus – nun auch sein Schicksal werden würde.

Deshalb will er Utnapischtim erreichen. Er ist der Mann, der durch den Ratschluss der Götter die Ewigkeit erlangt hat. Danach will ihn Gilgamesch fragen. Doch Schamsch (Gott der Sonne und Gerechtigkeit) macht sich Sorgen um Gilgamesch und sagt ihm, dass er das, was er sucht und begehrt, nie erhalten wird. Aber Gilgamesch beharrt auf seinem Vorhaben und erwidert Schamsch, dass er sich nicht dem Tod ergeben und fern vom Sonnenlicht bleiben wird. Er folgt seinem Weg bis zu den Bergen von Machu, die jeden Tag den Sonnenaufgang bewachen. Diese Tafel endet, nachdem Gilgamesch diese Berge überwunden und einen dunklen Tunnel durchschritten hat, bis er Siddori trifft, ein Schankmädchen, das ihm den Ort zeigen wird, in dem sich Utnapischtim aufhält.

Die zehnte Tafel:

Hier begegnet er dem Mann, dem die Götter ewiges Leben gaben. Der tadelt Gilgamesch, weil sein Vorhaben vergeblich ist.

„Enkidu nahmen sie zu seinem Schicksal.

Du wurdest schlaflaos, doch was hattest du davon?

Deine Adern füllest du mit Harm.

Deine Tage, die schon ferngerückt waren,

bringst du dir wieder heran.

Die Menschen, deren Nachkommen wie Rohr abgeknickt sind,

nimmt hinweg der Tod.

Niemand wird des Todes Antlitz schauen,

niemand wird des Todes Stimme je vernehmen,

und doch ist der grimme Tod der Menschheit Schnitter.

Es gibt eine Zeit, da bauen wir ein Haus,

es gibt eine Zeit, da nisten wir im Nest,

es gibt eine Zeit, da teilen sich die Brüder das Erbe,

es gibt eine Zeit, da herrscht Hass im Lande.

Doch dann, mit einem Male ist nichts mehr davon da!

…“

Die elfte Tafel:

Utnapischtim schildert Gilgamesch den Grund, weshalb ihm die Götter Ewigkeit verliehen. Die Geschichte hängt mit der großen Flut zusammen. Die großen Götter fühlten sich durch den Lärm der Menschen gestört und beschlossen, sie loszuwerden, indem sie die große Flut über sie hereinbrechen ließen. Doch gab es auch Götter, die Mitgefühl mit den Menschen hatten, insbesondere Gott Aya (Gott der Weisheit und des reinen Wassers). Der bat Utnapischtim, ein Schiff zu bauen, damit er die Menschen retten könne. Inzwischen bereuten erstere Götter ihren Beschluss mitsamt den Folgen. So entschieden sie sich dafür, Utnapischtim und dessen Frau als Dank Unsterblichkeit zu verleihen. Und nun stellt Utnapischtim dem Gilgamesch die Frage: Aber du, wer wird für dich alle Götter versammeln, damit sie dir Ewigkeit geben?

Andererseits zeigt er auf eine Pflanze am Grunde eines Sees. Wenn Gilgamesch sie ergreifen und essen könne, würde er wieder ein junger Mann sein. Tatsächlich taucht Gilamensch auf den Grund des Sees und bringt sie ans Ufer. Doch er hat im weiteren Verlauf kein Glück.

„Während der Rückkehr sah er einen Teich.

Da Gilgamesch den Brunnen sah, dessen Wasser kalt war,

stieg er hinunter, sich mit dem Wasser zu waschen.

Eine Schlange roch den Duft des Gewächses.

Verstohlen kam sie herauf und nahm das Gewächs.

Bei ihrer Rückkehr warf sie die Haut ab.

Zu der Frist setzte Gilgamesch weinend sich nieder.

Über sein Antlitz rollten die Tränen:

Ach, rate mir doch, Schiffer Urschanabi!

Für wen mühten sich meine Arme?

Für wen verströmte mein Herzblut?

Nicht schaffe ich Gutes mir selbst,

für den Erdlöwen wirkte ich Gutes!“

Das Epos endet mit der Rückkehr Gilgameschs nach Uruk und seiner Bitte an Urschanab, dass er auf die Stadtmauer steige und die Stadt umher betrachte wie am Anfang des Epos.

Die zwölfte Tafel:

Die meisten Forscher sind sich einig, dass diese Tafel nicht zum originalen Epos gehört. Dies wird durch die Tatsache belegt, dass die elfte Tafel in denselben Versen endet wie die erste. Außerdem enthält die Tafel die Geschichte von Enkidus Tod, die auf der achten bereits erscheint. Aber das Neue ist der Aufstieg des Geistes von Enkidu zur Erde, wo er Gilgamesch wiedertrifft. Und weil Gilgameschs Sorge Tod und Angst sind, fragt er Enkidus Geist nach der Unterwelt und der Lage der Verstorbenen darin.

Nachdem Gilgamesch nun endgültig erkannt hat, dass er dem Tod nicht entgehen kann, entscheidet er sich, sich mit Hilfe verschiedener Aktionen zu verewigen. Er kehrt in die Stadt zurück, verschönert sie, verbessert das Leben der Einwohner duch Bewässerungs- und Ackerbauprojekte. Auch versucht er nun, gerecht zu regieren..

Schopenhauer in Gotha und Weimar

Vortrag von Dr. Roland Krischke, Altenburg, am 6. November 2018

Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) ist auch heute noch ein vielgelesener philosopischer Schriftsteller. Zu seinen Bewunderern gehörten beispielsweise Leo Tolstoi, Thomas Mann, Franz Kafka und Charlie Chaplin. Er galt und gilt ja gemeinhin als Sonderling, zahlreiche Anekdoten ranken sich um ihn und seinen Pudel „Atman“.. Sein Tagesablauf war streng geregelt, ähnlich Kant. Dennoch war er als junger Mann oft verliebt, er konnte tanzen, fechten und Flöte spielen und war überhaupt den Freuden des Lebens zugetan. Zugleich war er oft von mürrischer Natur. Er empfing nie Gäste.

Bereits 1818 erschien sein Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“. Es folgten die Parerga (Beiwerk) und Paralipomena (Nachträge und Zusätze) sowie die „Aphorismen zur Lebensweisheit“). Es ist Thüringen zu verdanken, dass Schopenhauer Philosoph wurde. Seine Wirkungsstätten sind Gotha, Jena, Weimar, Altenburg. Dort kümmerte sich der Verleger Pierer um Schopenhauers Werk. Geboren 1788 in Danzig, sollte Schopenhauer nach dem Willen des Vaters Heinrich Floris Schopenhauer Kaufmann werden, was ihm aber überhaupt nicht lag. Der Vater stellte ihn vor die Wahl: entweder eine ausgedehnte Bildungsreise durch Europa unter der Bedingung Kaufmannslehre oder sofortiger Gymnasiumsbesuch, den der Vater für einen künftigen Kaufmann allerdings nicht für erforderlich hielt. Schopenhauer hätte hier seinen eigenen Weg gehen können. Er entschied sich für die Bildungsreise. So fuhr er mit seinen Eltern 1803 durch die Schweiz, Frankreich, die Niederlande, Österreich. Verabredungsgemäß begann er dann mit seiner Ausbildung in einem Handelshaus in Hamburg.

Durch einen Unfall verstarb 1805 sein Vater. Die Mutter Johanna und Tochter Adele begaben sich nach dem Trauerjahr nach Weimar. Verdrossen blieb Schopenhauer in Hamburg bei seinem ungeliebten Beruf zurück. Die Mutter reagierte lange nicht auf seine missmutigen Briefe, bemerkte aber irgendwann, dass es so nicht weitergehen konnte.

Die Rettung bestand in einem Brief des Kunstschriftstellers Carl Ludwig Fernow, der zu einem engen Vertrauten von Johanna Schopenhauer geworden war. Arthur begab sich 1807 sofort nach Gotha, wo er Aufnahme im Gymnasium illustre fand. Fernow machte ihn auch mit der Herzoglichen Bibliothek bekannt. Der Abschlussklasse, der sogenannten Selecta, gehörte auch Schopenhauer an. Das Gymnasium war zwar immer noch im alten Augustinerkloster untergebracht, seine inhaltliche Ausrichtung auf Sprachen, Naturwissenschaften und selbständiges Lernen war jedoch zeitgemäß und modern. Der gute Ruf der Schule als Pflanzstätte gebildeter Leute war weit verbreitet. Schopenhauer genoss zudem Privatunterricht in Latein bei Direktor Friedrich Wilhelm Döring. Die Schule nahm unter seiner Leitung einen gewaltigen Aufschwung. Zählte das Gymnasium 1786 noch 85 Schüler, waren es 1815 weit über 200. Neben den alten Sprachen gab es noch Unterricht in Geschichte, Geographie, Mathematik, Physik, Literatur, Religion, Philosophie und Deutsch. Seit 1791 wurde sogar Englisch oder Italienisch gelehrt.

Zu den wichtigsten Lehrern gehörte Johann Georg August Galletti, der die Selecta in Geographie und Geschichte unterrichtete. Von seinem Vermieter Lenz, einem klassischen Philologen, erhielt Schopenhauer Unterricht in Philosophie. Friedrich Christian Kries lehrte ihn Mathematik und Physik. Der wichtigste Lehrer für Arthur war neben Döring aber sicherlich der Altphilologe Friedrich Jacobs, der ihn in Deutsch unterrichtete.

Der kunstsinnige und geistreiche Herzog Emil August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772 – 1822) gab sich auch als Dichter, so als Autor des schwülstigen Hirtenromans „Kyllenion“ mit dem Untertitel „Eine Nacht in Arkadien“.Er versicherte sich hierbei seiner „literarischen Vortrefflichkeit“ durch die professionelle Unterstützung des Gymnasialprofessors. Jacobs musste zu jeder Tages- und Nachtzeit aufs Schloss kommen, ungeachtet etwaiger anderer Verpflichtungen. Dieses Amt verdross ihn und war letztlich Ursache seiner Flucht nach München. Sein Weggang wurde allgemein betrauert – gerade auch von Schopenhauer. Interessanterweise befand sich ein Exemplar des Hirtenromans im Nachlass Schopenhauers. Das Buch wurde versteigert und befindet sich seitdem im Schopenhauer-Archiv in Frankfurt/Main.

Arthur schrieb für Jacobs ein abschiednehmendes Gedicht, das jedoch nicht als Beitrag der Selecta akzeptiert wurde. Offensichtlich musste jeder Schüler ein solches Widmungsgedicht verfassen. Schopenhauer schrieb ein weiteres, lustiges Gedicht „Auf die Gothaer Philister“. Er schloss in Gotha zwei Freundschaften: mit Ernst Anton Lewald, späterer Professor für Theologie in Heidelberg, und Carl Ernst John, späterhin Geheimer Hofrat und Zensor in Berlin. August Varnhagen von Ense über ihn: „Ein Gedankenschlächter“. Beeinträchtigen konnte dieses Urteil die Freundschaft Schopenhauers zu John allerdings nicht.

Arthur beeindruckte seine Mitschüler immer mit weltmännischem Gehabe, da er ja aus der großen Weltstadt Hamburg kam. Er imponierte zum Beispiel durch gelben Knaster, den er aus Hamburg kommen ließ und (bis ins hohe Alter) schnupfte. Seine Mutter empfand dies als „garstige Schweinerey“. Auch sein Chapeau claque, den er nach neuester Mode auf dem Kopf trug, missfiel ihr außerordentlich.

Schopenhauer fühlte sich in Gotha recht, wohl, wenn ihn auch die provinzielle Enge bedrückte.

Aus diesem Gefühl heraus entstand sein Spottgedicht „Auf die Gothaer Philister“.

Darin heißt es:

„Sie spähen, lauschen, geben acht

Auf alles, was geschiehet.

Was jeder treibt, was jeder macht.

Was jeder redet laut und sacht,

Nichts ihnen sich entziehet.

Durch Fenster ihre Blicke spähn.

Ihr Ohr lauscht an den Thüren.

Es darf nichts unbemerkt geschehn.

Die Katze nicht auf dem Dache gehn

Dass sie es nicht erführen.

Nach dem Schopenhauer zutiefst beindruckenden Besuch Napoleons in Gotha und zum Fürstenkongress in Erfurt verfiel Schopenhauer auf einen kostspieligen Lebenswandel, dem mütterliche Ermahnungen folgten.

Es war ein eher nichtiger Anlass, dass er Gotha verließ. Christian Ferdinand Schulze, Lehrer am Gothaer Gymnasium, den Schopenhauer gar nicht kannte, hatte sich in der „Nationalzeitung der Deutschen“ scharf gegen Schüler der höheren Klassen gewandt, die ihre jüngeren Mitschüler drangsalierten. Dagegen wehrten sich die Beschuldigten mit Häme und Spott. Schopenhauers kleines Gedicht, mit dem er wohl die Ehre der Selecta verteidigen wollte, hat sich im Nachlass erhalten. Doch Schulze war ein Pflegesohn Dörings; somit kündigte Döring zunächst den Privatunterricht für Schopenhauer auf. Dennoch zog das Spottgedicht keine disziplinarischen Folgen nach sich, weil Schopenhauer ja kein regulärer Schüler war. Döring bot ihm wohl auch einen Ausweg, aber Schopenhauer wollte wohl selbst weg und einen Neuanfang wagen. Seine Mutter machte ihm heftige Vorwürfe, am Schluss ihre Briefes heißt es: „Genug, Arthur … Du musst entweder Dich ändern, oder Du gehst zugrunde.“

Etwaige Zufluchtsorte wurden verworfen, schließlich sollte Arthur nach Weimar kommen. Allerdings fürchtete die Mutter die Nähe ihres Sohnes. Immerhin stellte sie feste Regeln für das künftige Zusammenleben auf: „Es ist zu meinem Glücke nohtwendig zu wissen, dass Du glücklich bist, aber nicht ein Zeuge zu seyn. “ … „Denn Dein Mismuth ist mir drückend und verstimmt meinen heitern Humor …“

Die großen Geister Weimars nahmen keine Notiz von ihm, außer der beliebte Erfolgsautor Zacharias Werner.

Arthur bezog eine kleine Wohnung und besuchte Mutter und Schwester nach festgelegtem Plan. Er verliebte sich in die Schauspielerin Caroline Jagemann und widmete ihr ein Gedicht. Nach dem Willen der Mutter sollte ihm der gefeierte Dichter Christoph Martin Wieland die Liebe zur Philosophie austreiben, was jedoch nicht gelang. Beide Männer schieden in schönstem Einvernehmen. Durch sein Lerneifer erwarb er die für ein Universitätsstudium notwendigen Kenntnisse und begann 1809 sein Studium an der Göttingener Universität.Eine Zeitlang hielt sich Schopenhauer im Rudolstädter Gasthof „Zum Ritter“ auf, beschäftgte sich dort mit seiner Lehre der vierfachen Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde. Er reichte die Dissertationsschrift an der Jenaer Universität ein und erhielt das höchste Prädikat „Summa cum laude“. Somit durfte er sich Doktor der Philosophie nennen. Er beschäftigte sich auch mit einer eigenen Farbenlehre, letztlich überwarf er sich dabei mit Goethe. Auch das Verhältnis zur Mutter zerbrach, weil Schopenhauer ihr den Umgang mit ihrem Hausfreund Gerstenberg verbieten wollte.

Im Dezember 1818 erschien Schopenhauers Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“.